Reflexe aus dem Effeff

Die Linke und der Folterskandal von horst pankow

Wer einsam und angeschlagen durch diese unwirtliche Welt stolpert, findet den Kopf oft derartig mit Sorgen gefüllt, dass darin für Gedanken kein Platz mehr ist. Immerhin bleiben in der schlimmsten Not die guten alten Reflexe unversehrt. Sie können vor großem Schlamassel bewahren, sie können aber auch, bar jeder gedanklichen Überprüfung, die dann in doppelter Bedeutung des Wortes Irrenden noch mehr mit dem Übel, dem man entgehen wollte, verstricken. Hier soll von zwei Reflexen, denen die Linke anlässlich des »CIA-Folterskandals« folgt, die Rede sein.

Reflex eins weist jede Kritik an den schmutzigen Seiten des US-amerikanischen »War on Terror« kategorisch zurück. Argumentiert wird zum einen prinzipiell: Jegliche Staatlichkeit beruhe (auch) auf physischer Unterwerfung, d. h. Folter sei stets ein potenzielles Herrschaftsinstrument. Zum anderen aktuell: Man verweist auf die Verharmlosungen islamistischer Bestialitäten durch deutsche islamophile Politiker und Journalisten. Man erinnert an den ehemaligen stellvertretenden Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner, der einem mutmaßlichen Kindesentführer mit Folter drohte und später zwar de jure verurteilt, aber de facto wegen »ehrenhafter Beweggründe« freigesprochen wurde. Man erinnert an Stammheim ebenso wie an die gewöhnliche Polizeiroutine in diesem Land. Für sich betrachtet ist das alles stimmig, aber als Gegenmeinung so wenig tauglich wie jedes Aber-die-anderen-auch-Gerede.

Selbst wenn nur ein Bruchteil der jüngsten Foltervorwürfe zutreffen sollte, gibt es für Linke, die den Anspruch auf Emanzipation von Herr­schaft noch ernst nehmen, nur die Möglichkeit des eindeutigen Protests. Auch der niederträchtigste Islamist ist als Gefangener ein Wehrloser, ein der Willkür ausgelieferter Mensch, dem das Ideal der »westlichen Zivilisation« – und eine andere gibt es nicht – eine humane Behandlung zusichert. Wer diesen Anspruch aufgibt, sollte lieber gleich zum Islam konvertieren.

Für Reflex zwei hingegen scheint es völlig unproblematisch, im deutschen antiamerika­nischen Mainstream mitzuschwimmen. Als wären 1989/90 die Karten im Spiel der internationalen Konkurrenz nicht neu verteilt worden, setzt man auf den negativen Joker US-Imperialismus und schließt sich der deutschen Tradition an.

Oskar Lafontaine unterstützte bekanntlich Daschner öffentlich, offenbar weil es sich um einen deutschen Folterfreund handelte. In einem Interview, das die Junge Welt kürzlich mit dem Stamokap-Bürokraten Diether Dehm von der Linkspartei führte, tauchte die Frage auf, warum der Vorstand der Partei die auch von Lafontaine unterstützte Initiative, »den Iraker Haj Ali, den ›Kapuzenmann von Abu Ghraib‹, zum Dresdner Parteitag einzuladen«, abgelehnt habe. Dehm antwortete, es sei darum gegangen, »Haj Ali, dessen Bild als gefoltertes CIA-Opfer zum Symbol des Widerstands in Millionen Hütten des Nahen Ostens geworden war«, einzuladen. Leider habe der Vorstand dies abgelehnt, denn »der Kapuzenmann sei in einer Unrechtspartei, der Ba’ath, gewesen. In der war ein großer Teil der Iraker.« Ja, ja, die anständig gebliebenen Parteimitglieder!

Der »Kapuzenmann« – welch zynische, aber massenmedial passfertige Umschreibung menschlicher Erniedrigung – war vor und ist nach seiner Malträtierung ein Zeitgenosse, den seine antiamerikanischen Sympathisanten, träte er hierzulande als Deutscher in Erscheinung, zu Recht als Nazi disqualifizieren würden. Bar jeder gedanklichen Reflexion führen deutsch-linke Reflexe in die nationalistisch-islamophile Irre.