Bahne den ­Aufschwung!

Ein Laden nur für Berliner Produkte

»Wie, du willst schon wieder gehen? Hast dich aber nicht richtig umgesehen«, ruft mir der junge Herr an der Kasse nach, als ich im Begriff bin, die Ladentür zu öffnen und das Geschäft in der Karl-Liebknecht-Straße zu verlassen, ohne etwas gekauft zu haben. Die Sachen sind entweder zu teuer oder nicht nach meinem Geschmack. »Du kommst bestimmt wieder, oder?« ruft der nette Herr noch. Er steht mit seiner Kollegin an dem riesigen Klotz, der in der Mitte des Ladens als Kassentisch dient. Der Raum um sie herum wirkt etwas trostlos mit den paar Kleiderstangen, auf denen ausgewählte Mode hängt, und den Regalen, auf denen allerlei unnütze Mitbringsel zu finden sind.

Das Geschäft »ausberlin« ist nicht etwa einer der vielen hippen und überteuerten Läden für Klamotten oder Schnickschnack in Mitte. Zwar befindet sich das Geschäft ebenfalls in diesem Stadtteil, und es werden darin teure Klamotten und teurer Schnickschnack verkauft. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Die angepriesenen Produkte stammen allesamt, wer hätte es gedacht, aus Berlin.

Das heißt in erster Linie: »Hier klebt kein Kinderblut an den Klamotten.« Der Betreiber des Ladens, Darius Wientzek, sieht seinen Auftrag darin, »faire« Produktionsbedingungen sowie die wirtschaftliche Situation der Stadt und der in ihr lebenden Menschen zu befördern.

»Wir haben uns gefragt: Warum geht es der Stadt denn eigentlich so schlecht, wo doch alle Lust auf Berlin haben?« erzählt Darius von den Anfängen des Projekts. Eine knifflige Frage, aber er und seine beiden Kollegen finden schnell eine Antwort. Die fehlenden Jobs sind schuld! Die beiden Architekten und die Medizinerin eröffneten im Oktober vorigen Jahres am Alexanderplatz den Laden »ausberlin« und organisierten auf diese Weise, so sagen sie, die fehlenden Arbeitsplätze kurzerhand selbst.

»An diesem zentralen Ort soll die Berliner Kreativität gebündelt werden«, erklärt Darius Wientzek. Das Projekt »fördert und kuratiert die Produktion von Waren unter Nutzung örtlicher Ressourcen und ist ein regionales Netzwerk für Produktionsanbahnungen«, ist auf seiner Webseite zu lesen. Natürlich würden nicht alle Produkte komplett in Berlin produziert. Hier wachse schließlich keine Baumwolle an den Bäumen. »Aber in der Uckermark gibt es eine T-Shirt-Näherei. Wir wollen langsam die regionalen Netzwerke ausbauen. Die ersten Schritte sind schon getan«, sagt Darius.

Im Angebot befinden sich auch bekannte Produkte wie Wodka Gorbatschow. Die Marke wird in Reinickendorf hergestellt und international vertrieben. Ein klares Vorbild für die jungen Unternehmer.

Wientzek und seine Kollegen arbeiten bloß noch am richtigen »Finetuning« für den Laden. Sie wollen häufiger Produktpräsentationen wie Modeshows, Filmvorführungen und Partys veranstalten und bereiten sich schon auf die Fußballweltmeisterschaft vor. Die Eröffnung der neuen Galeria Kaufhof in unmittelbarer Nähe sowie die geplante neue Straßenbahnlinie sollen das Übrige tun.

Alles wird gut werden. Die Produktionsstätten werden angebahnt, der Aufschwung kommt. Sobald auch ich mir einen teuren Fummel leisten kann, werde ich wieder herkommen.

sonja fahrenhorst