Boom für die Bohnen

Nach einer Überproduktionskrise hat sich der Kaffeepreis stabilisiert. Die Bauern können wieder vom Ernteertrag leben. von marina mai

Eine schlechte Nachricht für alle Kaffeetrinker: Der morgendliche Wachmacher bleibt 2006 unverändert teuer. Winfried Tiggers, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes, kündigte für das neue Jahr stabile Kaffeepreise auf hohem Niveau an. In diesem Jahr stieg der Preis für ein 500-Gramm-Päckchen Röstkaffee nach jahrelangem Sinken der Preise um 83 Cent auf durchschnittlich 3,73 Euro an.

Experten rechnen mit jahreszeitlichen Schwankungen. Im Frühjahr könnten die braunen Bohnen etwas günstiger zu haben sein. Dann ist im Hauptanbauland Brasilien die Ernte eingebracht und verarbeitet. Die gute Nachricht für die Kaffeebauern in den tropischen Hochländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens lautet: Auch im kommenden Jahr können sie wie 2005 vom Ertrag ihrer Ernte leben. Die Bauern jedenfalls, die die ein Jahrzehnt andauernde Krise überstanden haben.

Bis 2004 sanken die Preise für Kaffee auf dem Welt­markt. Der Grund waren stark gestiegene Erträge bei nahezu gleichbleibendem Absatz in den Industriestaaten. Der Hauptproduzent Brasilien hatte seine Anbauflächen drastisch erweitert. Vietnam war nach dem Fall des Handelsembargos der USA 1994 als Neuanbieter auf den Markt getreten und hatte sich zum zweitgrößten Produzenten der Welt entwickelt. Die jährliche Überproduktion lag um die zwölf Prozent einer Jahresernte.

In den Hochländern Brasiliens, Nicaraguas, Kolumbiens, Vietnams und Äthiopiens konnten die Bauern nicht mehr von den Erträgen ihrer Ernte leben. Viele verarmten, verschuldeten sich, wanderten in die Slums der Städte ab, ließen ihre Plantagen ungepflegt oder pflanzten Kokasträucher zwischen die Kaffeepflanzen. In der Dominikanischen Republik zum Beispiel stieg der Kaffeepreis erst, nachdem etwa 30 000 Produzenten zum Ausstieg aus dem Kaffeeanbau gezwungen waren.

Derzeit fällt die Ernte in den Hauptanbaustaaten um zehn bis 20 Prozent geringer aus als in den Rekordjahren. Die Wirbelstürme in Mittelamerika im vergangenen Jahr betrafen zwar nicht die Kaffeeanbaugebiete selbst, aber die Infrastruktur wurde zerstört, der Transport der Ware verzögert oder gar verhindert. Winfried Tiggers rechnet damit, dass das verringerte Angebot gerade noch die Nachfrage deckt. Alternative Organisationen sprechen hingegen seit 2004 von einer globalen Nachfrage über dem Ernteertrag, doch lagern noch riesige Vorräte an Kaffee in den Depots.

Mehr Kaffee wird vor allem in Russland und China getrunken. In diesen bevölkerungsreichen Staaten können sich mehr Menschen das aromatische Getränk leisten. Hierzulande ist es umgekehrt: Zwar ist Kaffee in Deutschland immer noch das beliebteste Getränk. Doch der Verbrauch sank im laufenden Jahr um zwei Liter auf 149 Liter pro Kopf.

Auch wenn viele Kaffeebauern in den tropischen Hochländern jetzt wieder das Geld haben, um in Neuanpflanzungen zu investieren, ist kurzfristig nicht mit einer Erntesteigerung zu rechnen. Denn eine Kaffeepflanze benötigt mindestens fünf Jahre, bis sie Erträge abwirft. Allerdings wird die Preiserhöhung für Kaffee nicht vollständig an die Bauern weitergereicht. Die gestiegenen Erdölpreise verteuern den Transport der Bohnen, die energieintensive Röstung und die Verpackung.

Der allgemeine Preisanstieg könnte den Markt­anteil von »fair« gehandeltem Kaffee erhöhen. Der faire Handel schaltet die Zwischenhändler aus und garantiert den Bauern Mindestpreise. In Deutschland stagniert der Marktanteil bei einem Prozent, in anderen westeuropäischen Staaten liegt er höher und steigt. Seit dem Jahr 2000 konnten die Kaffeebauern in Ecuador und Bolivien den Absatz von fair gehandeltem Kaffee um 80 Prozent erhöhen, in Peru um 100 und in Äthiopien sogar um 200 Prozent.