Fuck off or Die Tryin’

Kino: 50 Cent-Biopic

Rückschau: Der amerikanische Regisseur Abel Ferrara setzt HipHop 1990 mit seinem Thriller »King of New York« ein Denkmal. Christopher Walken als ledergesichtiger, aus langjähriger Haft entlassener Dealer Frank White will seine Profite den Armen in der Inner City zur Verfügung stellen. Ferrara stellt seinen aussichtslosen Kampf mit der metonymischen Macht der Rap-Aura dar. Schooly D’s diabolischer Track »Saturday Night« entfesselt auf der Tonspur einen eigenen Film. 1995 tritt Notorious B.I.G. auf den Plan, rappt wie von der Tarantel gestochen, fuchtelt aber gern mit Knarren rum und stirbt tatsächlich im Kugelhagel. Eminem schaltet Ende der Neunziger den falschen Film aus und bringt Rap mit gekonnten Verbalattacken zurück zu seinen Skills.

»Pass 50 the baton / The camera’s on …«. Was wie eine Drohung klingt, als Eminem auf seinem letzten Album »Encore« seinen freiwilligen Rückzug erklärte, ist nun Realität geworden. Die Kamera läuft weiter, der Stab ist an 50 Cent übergeben worden, und der hat inzwischen zwei Millionen Alben verkauft. Und nun hat 50, diese mittelprächtige Version von Neunziger-Jahre-Gangsta-Rap-Klischees, komplett die Regie übernommen. Im Unterschied zu B.I.G. kann 50 aber nicht mehr als mit Knarren herumfuchteln. Deshalb verkörpert 50 in dem von Regisseur Jim Sheridan fristgerecht inszenierten Biopic »Get Rich or Die Tryin’« den stilistischen Rückschritt. Dieser Curtis Jackson wiederholt bloß Eminems Erfolgsgeschichte, ohne jegliche Überraschungsmomente, ohne Eminems feinen Sinn für Ironie. Und leider lässt 50 Cent auch dessen Schauspiel­talent vermissen: Wenn er lächelt, blinkt ein geöffneter Kühlschrank. Wenn er versonnen am Steuer seines Benz durch die Straßen New Yorks gondelt, wünscht man sich einfach die Oldschool zurück ... Ende der Achtziger, als verzinkte Underground-Hits eine Alternative zum Gangsta-Leben darstellten; als Schooly D sich von seiner Gang verabschiedete und Musik machte. Heute aber stellt dieser 50 Cent die Rap-Karriere einfach nur als Verlängerung seiner Gangsta-Karriere dar, als Titten-und-Arsch-Video mit Überlänge.

»Get Rich …« startet mit einer Urszene: Nein, 50 rappt nicht ins Mikrofon, er liegt im Rinnstein vor dem Haus seiner Oma, getroffen von neun Kugeln. Wer nun denkt, »Get Rich …« hat das Poten­zial zum Hardboiled-Thriller à la Ferrara, liegt falsch. Es ist einfach nur schmalziger Bio-Käse, der sich nicht zwischen Krimi und Musik entscheiden kann, der den HipHop-Midas-Körper von 50 als begehrtes Vorzeigeobjekt inszeniert. Nicht Rapper sind seine Konkurrenten, sondern stereotyp dargestellte kolumbianische Drogenkiller. »Get Rich or Die Tryin’« ist definitiv ein Rekrutierungsfilm für die Unterwelt. Pimp up, my Zuhälter. Auch du kannst es zu Wohlstand bringen, wenn du hart genug an dir arbeitest. Egal, ob deine Mami beim Dealen erschossen wird, Verbrechen lohnt sich, du musst dir bloß deinen Weg freiballern. Glaub an dich, dann wartet auch deine Jugendfreundin und lässt gleich ihre Ballett-Karriere sausen. Wer jetzt immer noch die Musik geil findet, kriegt ein Frauenbild original aus dem Handbuch des Sexisten gratis mit dazu.

julian weber

»Get Rich or Die Tryin’« (USA 2005). Regie: Jim Sheridan. Start: 12. Januar