Noch ein Wagenplätzchen

Die Freiburger »Schattenparker« suchen eine neue Bleibe. Über ihre Strategien und Wagenburgmentalitäten berichtet winfried rust

Für Oskar und Paul* ist es auch ein Rätsel, warum immer »zu viele Hunde« auf Wagenplätzen Wache halten, die sogar Menschen abzuschrecken vermögen, die den WagenbewohnerInnen wohl gesonnen sind. »Die linken Chaosdeppen und die linken Spießer ergänzen sich manchmal recht unglücklich«, kommentiert Oskar augenzwinkernd.

Die beiden gehören zu den »Schattenparkern«, die sich in der Weihnachtszeit, entgegen jeglicher Wagen­burgmentalität, verstärkt um Öffentlichkeit bemühten. Der Appell an die katholischen Grundwerte »Weih­nachten ohne Wagenplätzchen!?« nützte jedoch nicht viel. Ebenso erfolglos blieben ein Informationsstand auf dem Weihnachtsmarkt und der Gang zum Münstergottesdienst am 24. Dezember. Hatten nicht die vagabundierenden Maria und Joseph zu ihrer Zeit eine Bleibe gefunden? Der Freiburger Wagenburg »Schattenparker« blieb sie verwehrt.

Der Stadt ist die historische und aktuelle Wagenburgmentalität nicht fremd: Mit einem zehn Jahre alten Beschluss des Gemeinderates schottet sich Freiburg gegen die Ansiedlung neuer Wagenburgen ab. Etwa ebenso lange werden die Schattenparker bereits polizeilich von Ort zu Ort komplimentiert. Zuletzt wurden sie Ende November aus dem Stadtteil St. Geor­gen vertrieben. Dort hatten sich in zwei Jah­ren 40 Menschen mit ihren Wagen ver­sam­melt, die zunächst informell geduldet waren, dann den Ablauf der Klagefrist abwarteten.

Seitdem sind sie »in Bewegung«. Eine Kundgebung im Industriegebiet Nord, welche die Polizei an eine Platzbesetzung gemahnte, endete mit temporären Festnahmen und der Beschlagnahme einiger Wagen. Anlässlich einer ähnlichen Aktion auf einem leeren Platz im Stadtteil Vauban im Dezember beschlagnahmte die Polizei bis auf weiteres 30 Wagen.

In ihrer kritischen Lage – manche sind ob­dachlos – gingen die Schattenparker in die Offensive. Ihr Vorgehen lässt sich einerseits als pragmatisch, andererseits als aktionistisch beschreiben. Zum einen werden Verhandlungen mit der Stadt über die Zwischennutzung von Grund­stü­cken und langfristige Platzangebote angestrebt. Der leere Platz im Stadtteil Vauban hat noch keinen Investor, und der Stadtteilverein unterstützt das An­liegen der Schattenparker.

Zum anderen veranstalteten sie zwei größere Demonstrationen, Straßentheater, ein Solidaritätskonzert in der Innenstadt und mehr. Auf der De­mons­tra­tion am 2. Dezember kam es zu Flaschenwürfen Einzelner auf PassantInnen und einer Schlä­gerei unter den Augen hunderter Polizisten. Die nahmen in einer brachialen Aktion 120 Menschen fest. Weiterhin fanden zwei unterstützende Hausbesetzungen mit Partys statt, zuletzt an Silvester. Der jüngste Text der Schattenparker wirbt nun für einen »selbst verwalteten alternativen halböffent­lichen Wagenplatz«, also für Selbstbestimmung und ein bisschen Wagenburgmentalität wie auch für eine Öffnung zur linken Szene.

Also keine Abschottung mehr in eigenen Milieus und Identitäten? Oskar und Paul bestätigen eine »offene Linie«. Die zahle sich aus. So komme zur Zusammenarbeit mit dem autonomen Spektrum ein Bündnis mit dem Freiburger Friedensforum für die nächste Demonstration am 21. Januar. »Die Resonanz auf dem Weihnachtsmarkt war ziemlich positiv und hat über 3 000 Unterstützungsunterschriften eingebracht und auch gute Gespräche«, erzählt Paul.

Viele ältere Linke sagen über die Aktionen der Schattenparker, das sei alles schon da gewesen, nur besser, und bleiben fort. Paul hält dem ent­gegen, dass Besetzungen und Wagenburgen we­nigstens »interessant« seien und nicht »abgeschmackte Konservenkultur zum unerschwing­lichen Preis«. Oskar ergänzt: »Wir versuchen immer noch, etwas zu bewegen und kein Rädchen im Getriebe zu sein.«

*Namen von der Redaktion geändert. Mehr Informationen unter www.schattenparker.net