Schlagen und abschieben

Bei der Räumung eines Protestcamps in Kairo starben mehr als 20 sudanesische Flüchtlinge. Viele der Inhaftierten sollen nun abgeschoben werden. von thomas schmidinger

Es werden 645 Sudanesen in den Sudan zurückkehren«, kündigte Fatma al-Zahraa Etman, die Sprecherin des ägyptischen Außenministeriums, an. Sie seien »entweder illegale Migranten oder haben gegen die Sicherheitsauflagen verstoßen«. Tatsächlich waren die Flüchtlinge beim Sturm der ägyptischen Polizei auf ein Protestcamp von Asylsuchenden auf dem zentral gelegenen Mohandiseen-Platz in Kairo vor einem Gebäude des UNHCR am 30. Dezember gefangen genommen worden.

Über 2 000 mittellose Flüchtlinge, die meist keinerlei Unterstützung erhalten und dem Alltagsrassismus großer Teile der ägyptischen Bevölkerung ausgesetzt sind, hatten sich dort seit September in behelfsmäßigen Unterkünften niedergelassen. Sie protestierten damit gegen eine Entscheidung des UNHCR, ihnen wegen des Abschlusses eines Friedensvertrags im Sudan keinen Flüchtlingsstatus mehr zuzuerkennen.

Bei der äußerst brutalen Räumung des Platzes durch rund 5 000 ägyptische Sicherheitskräfte kamen nach Angaben von Boutrous Deng, einem Sprecher der Flücht­linge, 26 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, ums Leben. Das ägyptische Innenministerium hatte ursprünglich zwölf Tote eingestanden, einzelne Mitarbeiter der Behörde haben jedoch bestätigt, dass es mehr als 20 Todesopfer gab. Während das Ministerium von einer »Massenpanik« unter den Flücht­lingen sprach, berichteten Reporter der Nachrichtenagentur AP, dass sie nichts von einer Panik gesehen hätten, sehr wohl aber den brutalen Einsatz von Schlagstöcken und Wasserwerfern.

Die ägyptische Regierung behauptet, mit dem Polizeieinsatz auf einen Hilferuf des UNHCR reagiert zu haben. Dessen Sprecherin in Kairo, Astrid Van Genderen Stort, sagte hingegen, ihre Organisation habe die Behörden aufgefordert, die Proteste »auf friedliche Art« zu beenden. Die Flüchtlingshilfsorganisation hatte Einmalzahlungen für eine Unterkunft angeboten und sich bereit erklärt, einige der Betroffenen erneut anzuhören. Die meisten Flüchtlinge lehnten das Angebot jedoch ab und beharrten auf einer Umsiedlung in ein anderes Land, in dem sie ein faires Asylverfahren erhofften.

Staaten, die zu einer Aufnahme bereit wären, sind jedoch mittlerweile schwer zu finden. Mit der Auslagerung der Flüchtlingsabwehr der Europä­ischen Union nach Nordafrika sind Flüchtlingstragödien wie in Ceuta und Melilla oder eben jetzt in Kairo programmiert. Flüchtlinge, die in autoritär regierten Staaten mit großen ökonomischen und sozialen Problemen stranden, erwartet dort kein rechtsstaatliches Asylverfahren, sondern der Schlagstock und die Abschiebung.

Im Sudan ist zwar tatsächlich ein Friedensprozess zwischen der Regierung und der südsudanesischen Guerillaorganisation SPLA im Gange. Allerdings ist der Ausgang dieses Prozesses ebenso ungewiss wie die Zukunft des politischen Systems. Im Westen und Osten dauern die bewaffneten Konflikte an, und die Kämpfe in Darfur drohen sich mittlerweile zum Krieg mit dem angrenzenden Tschad auszuweiten. Die Uno hat zahlreiche Kriegsverbrechen des islamistischen Militärregimes bei der Aufstandsbekämpfung dokumentiert.

Südsudanesische Flüchtlinge in Khartoum sind immer wieder Ziel staatlicher Repressionsmaßnahmen, da sich viele von ihnen mit verbotenem Alkoholverkauf oder anderen illegalen Geschäften über Wasser halten müssen oder sich in anderen Bereichen nicht an die staatlichen Sharia-Gesetze halten. Im Südsudan würde auf die Flüchtlinge ein völlig zerstörtes, in vielen Gebieten vermintes Land ohne funktionierende Infrastruktur warten, das selbst unter günstigsten Bedingungen noch Jahre benötigen würde, um auch nur das ökonomische Niveau der angrenzenden Staaten Uganda oder Kenia zu erreichen.