Mehmets Freunde

Der Papstattentäter und rechtsextreme Killer Mehmet Ali Agca ist frei von oral çalislar

Fünf Jahre musste Mehmet Ali Agca in der Türkei für den Mord an dem Journalisten Abdi Ipekçi absitzen, seit der vorigen Woche ist er frei. Dass er, wie es Justizminister Hikmet Sami Türk formuliert, »trotz der vorliegenden Gerichtsurteile« freigelassen wurde, ist ein Skandal, der einiges über den Zustand der Republik aussagt. Doch beginnen wir von vorn.

Als Ipekçi im Februar 1979 ermordet wurde, war der Sozialdemokrat Bülent Ecevit Ministerpräsident. Innenminister Hasan Fehmi Günes überwachte persönlich die polizeilichen Ermittlungen. Binnen kurzer Zeit konnte man ermitteln, wer an der Planung und Ausführung des Mordes beteiligt war. Nun stellte sich die Frage nach den Hintergründen.

In diesem Moment mischte sich der Militärkommandant von Istanbul ein. Er nutzte die Befugnisse, die ihm der Ausnahmezustand gewährte, und übertrug die Ermittlungen an die Militärbehörden. Dieser Kommandant hieß Necdet Ürug. Er sollte bei dem Putsch vom 12. September 1980 eine Schlüsselrolle spielen und in den achtziger Jahren zum Generalstabschef aufsteigen. Man habe es der Polizei nicht zugetraut, die Ermittlungen ordnungsgemäß durchzuführen, sagte er später. Aber ermittelten die Militärs sorgfältiger? Die Akten zeigen das Gegenteil. Damit nicht genug, gelang Agca im November 1979 die Flucht aus dem streng bewachten Militärgefängnis Istan­bul-Maltepe. Seine Helfer waren Figuren, die selbst im Verdacht standen, an dem Mord an Ipekçi beteiligt gewesen zu sein, allen voran Abdullah Çatli, in den siebziger Jahren stellvertretender Vorsitzender der Jugendorganisation der rechtsextremen MHP (»Graue Wölfe«) und erwiesenermaßen verantwortlich für viele politische Verbrechen, etwa für den Mord an sieben Mitgliedern der Türkischen Ar­beiterpartei im Oktober 1978.

Çatli starb 1996 beim Unfall von Susurluk, der einen großen Skandal auslöste und neue Erkenntnisse über die Verbindungen zwischen den Killern der MHP und dem Staat ans Licht brachte. Damals kam auch heraus, dass Agca nach seiner Flucht in Çatlis Wohnung in Istanbul Unterschlupf fand. Der Offizier Korkut Eken, der in den siebziger Jahren die Abteilung für besondere Kriegsführung befehligte, räumte vor der parlamentarischen Untersuchungskommission ein, dass die Sicherheitsbehörden vor dem Putsch mit Çatli zusammenarbeiteten – also zur selben Zeit, als der Mord an Ipekçi geschah und Agca aus dem Gefängnis geholt wurde.

Als Chefredakteur von Milliyet war Ipekçi einer der bedeutendsten Journalisten des Landes. Mit ihm wurde jemand beseitigt, der für eine friedliche und demokratische Überwindung der bürgerkriegsähnlichen Krise stand, die die Türkei damals erlebte. Der Mord an ihm ist ebenso wenig aufgeklärt wie etliche andere politische Morde; etwa am stellvertretenden Oberstaatsanwalt von Ankara, Dogan Öz, im Jahr 1978 oder am Polizeipräsidenten von Adana, Cevat Yurdakul, im selben Jahr – zwei Ermittlern, die den Aktivitäten der Konterguerilla nachzugehen versuchten. Gerade der Fall Öz, bei dem der inhaftierte und geständige Mörder einfach laufen gelassen wurde, belegt eindeutig, dass diese Morde mit dem Wissen staatlicher Stellen geschahen. Vor 13 Jahren wurde mein geschätzter Kollege Ugur Mumcu ermordet, nachdem er jahrelang zu diesen Ereignissen recherchiert hatte.

Die Freilassung Agcas zeigt, dass die Mörder und ihre Hintermänner von damals noch immer Macht und Einfluss besitzen. Wenn wir in einem demokratischen Land leben möchten, müssen wir alles tun, um Licht in dieses Dunkel zu bringen. Allen voran wir Journalisten. Das sind wir Abdi Ipekçi schuldig.

Der Autor ist Kolumnist der türkischen Tages­zei­tung ­Cumhuriyet.