Aus Erfahrung nichts gelernt

Streik bei AEG von freerk huisken

Wenn bei einem Streik deutsche Politiker aller Parteien Solidaritätsadressen abgeben, wenn die öffentliche Meinung Zustimmung zu den Interessen der Streikenden bekundet, dann könnten sich die Streikenden schon einmal fragen, was sie falsch gemacht haben. Die AEGler in Nürnberg und ihre Gewerkschaft aber sind weit entfernt davon. Sie fassen den Beifall als Bestätigung der Ziele ihres Streiks auf und legen Zeugnis davon ab, dass sie eigentlich keine Differenz zwischen ihren und staatlichen Standortinteressen entdecken können.

Und so verhält es sich tatsächlich. Da beschließt die schwedische Firma Elektrolux nach einigen Jahren erfolgreicher Ausplünderung des gekauften Nürnberger AEG-Werks, dass andere Standorte in Polen oder Italien noch bessere Bedingungen zu bieten haben, und kündigt die Werksschließung für das Jahr 2007 an. Die Nürnberger Belegschaft und die IG Metall wollen dieses Vergleichsresultat nicht auf sich sitzen lassen und halten, um auf Biegen und Brechen ihre Arbeitsplätze zu sichern, im ersten Durchgang mit dem Angebot einer 15prozentigen Lohn­senkung dagegen. Sie wissen, was sie dem deutschen Standort schuldig sind.

Der Konzernleitung reicht das nicht. Sie hält am Schließungsbeschluss fest und weiß sich in voller Übereinstimmung mit den internationalen Regeln kapitalistischer Standortkonkurrenz. Sie sieht die Standorte nach dem Kriterium größtmöglicher Gewinnerwartung durch, importiert und exportiert ihr Kapital rücksichtslos gegenüber den Lebensinteressen von Belegschaften, die für sie nur als ein Faktor ihrer Gewinnkalkulation auftauchen.

Diese ist in Nürnberg einige Jahre lang in Sachen Lohnkosten, Belastbarkeit und »sozialem Frieden« voll aufgegangen – natürlich nur für den Betrieb. Jetzt eben nicht mehr, weswegen die AEGler stinksauer und darüber enttäuscht sind, dass weder ihr Arbeitsenga­gement noch ihre Bereitschaft, auf weitere Einkommensteile zu verzichten, honoriert wird.

Nur so lässt es sich erklären, dass ihnen nichts anderes einfällt, als zum einen für die Fortsetzung ihrer Ausbeutung zu kämpfen, zudem unter Bedingungen, die ihnen permanent verschlechterte Lohn-Leistungs-Relationen bescheren, und zum anderen für eine Verbesserung ihrer Abfindungen einzutreten, bei der gar nicht an den Geldbetrag gedacht wird, den ein Arbeitsloser für die nächsten Lebensjahre braucht, sondern mit der allein dem Kapital die Kosten für die Werksschließung hochgetrieben werden sollen; und zwar so hoch, dass sich für Elektrolux vielleicht die Werksverlegung doch nicht lohnt.

Das ist schon ein sehr merkwürdiges Manöver: Der Einsatz für die Erhaltung der Arbeitsplätze koppelt sich wieder einmal vollständig von Gründen ab, die die AEGler Tag für Tag in die Fabrik treibt. Das Interesse an der Einkommensquelle wird plötzlich wichtiger als das Einkommen selbst. So erklärt sich die Solidarität zwischen der Belegschaft und der deutschen Standortverwaltung; zumal beide Seiten sich darin einig sind, dass es natürlich einen besonderen Skandal darstellt, wenn schwedisches, also ausländisches Kapital Werke schließt. Das ist Vernichtung deutscher Arbeitsplätze. Beim deutschen Kapital sind Entlassungen dagegen bekanntlich ein Beitrag zur Erhaltung von – allen noch lohnenden – Arbeitsplätzen.