Neu im Staatsgeschäft

Der ehemalige UÇK-Kommandant Hashim Thaçi war zu Gast an der Freien Universität Berlin. von sonja vogel

Hoher Besuch hatte sich am 8. Februar im Osteuropa-Institut der FU Berlin angekündigt. Im etwas schäbigen Hörsaal A stellte sich der Gastredner im Maßanzug ans Pult. »Heute Gruppenarbeit bis 17.10 Uhr« stand hinter ihm an der verschmierten Tafel geschrieben. Hashim Thaçi, der Vorsitzende der oppositionellen »Demokratischen Partei Kosova« (PDK), hielt einen Vortrag mit dem Titel: »From Unmik-Administration towards Independence?« 40 Zuhörer hatten sich eingefunden, darunter kaum Fachpublikum.

Dabei ist Thaçi ein wichtiger politischer Akteur. Er war Mitbegründer und Kommandant der »Befreiungsarmee Kosova« (UÇK). Bereits 1998 nahm er an internationalen Verhandlungen teil. Nach der Auflösung der UÇK wurde er, gegen den wenig später ergebnislos Ermittlungen in Den Haag aufgenommen worden sein sollen, zum Premierminister der provisorischen Regierung. Seit 2000 ist er Vorsitzender der PDK.

Sein Werdegang steht exemplarisch für die UÇK-Kader, die heutzutage das politische Establishment des Kosovo stellen. Kai Eide, UN-Sonderbeauftragter, bemerkt in seinem aktuellen Bericht, Korruption und organisierte Kriminalität zögen sich bis in die politische Führung der Provinz. Doch die Kosovo-Regierung weigere sich, gegen die Kriminalitität in den eigenen Reihen vorzugehen. Thaçi selbst wird von der Weltwoche, die sich auf einen BND-Bericht beruft, als »Key-Player« der organisierten Kriminalität bezeichnet.

Obwohl vor diesem Hintergrund die Einladung der Freien Universität verwundert, war es an diesem Nachmittag eher Thaçis fehlende Professionalität, die es selbst ihm Wohlgesinnten schwer machte, in ihm einen ernst zu nehmenden Politiker zu sehen. In seinem Vortrag ging es um die Unabhängigkeit des Kosovo als Voraussetzung für eine Entwicklung nach westlichem Vorbild. Er versprach gleiche Rechte für alle. Mehrfach nach den Folgen der antiserbischen Ausschreitungen im Jahr 2004 gefragt, verurteilte er diese als »inakzeptabel«. Er sagte, die Täter seien »verfolgt und angeklagt worden« und alle Flüchtlinge seien zurückgekehrt. Human Rights Watch hingegen weist darauf hin, dass der größere Teil dieser Menschen noch immer als »Displaced Persons« in Serbien-Montenegro lebe.

Einen seltsamen Vergleich fand der Referent beim Thema Minderheitenrechte. »Die fünf Prozent Serben im Kosovo haben mehr Rechte als die 30 Prozent Albaner in Mazedonien.« Ob das nicht die Gefahr gewaltsamer Unabhängigkeitsbestrebungen auch in Mazedonien bedeute? Thaçi, der es besser wissen müsste, antwortete mit einem klaren »Nein«. Es gebe ja das Abkommen von Ohrid, das im Jahr 2001 nach den kriegerischen Auseinandersetzungen unter internationalem Druck geschlossen wurde.

Berichte über seine Verstrickungen mit der Mafia nannte Thaçi »serbische Propaganda«. In einem optimistischen Zehn-Punkte-Plan für den Kosovo nannte er die Mitgliedschaft in der Nato und der EU sowie den Kampf gegen den Terror als Ziele. Mit der Realität hat dies nicht viel zu tun. Nach dem Sieg der »erfolgreichsten Befreiungsarmee der Welt« kämpfe er, Thaçi, nun in der Politik.

Zwar hat ihn auch die Friedrich-Ebert-Stiftung zum internen »Expertengespräch« geladen, was darauf hindeutet, dass seine Bedeutung wächst. Doch zumindest an der Universität wird er noch als Schmuddelkind behandelt. Seinen verstorbenen Kontrahenten Ibrahim Rugova hätte man sicher nicht vor einer ungeputzten Schultafel postiert. Würde Thaçi sich geschickter anstellen, könnte aus ihm ein kosovarischer Djindjic werden. Der war ein Nationalist mit dem Ruf eines großen Liberalen, ein viel gelobter Vorkämpfer gegen Korruption, der seinen Verstrickungen mit der Mafia letztlich selbst zum Opfer fiel.