Die Hölle ist man selber

Matti Nykänen – der Film

Während die Männer auf der Leinwand mit dem triumphalen, durchtriebenen und selbstbewussten Grinsen, wie es Betrunkenen eigen ist, daran gehen, eine ausgewiesene Dummheit zu begehen, ahnt der Zuschauer schon längst seufzend: Das geht schief. Genauso schief wie das Mal davor und davor und vermutlich auch das Mal danach.

Die Ahnung kommt nicht von ungefähr, denn Jasper Pääkkönen, einer der beiden Schauspieler verkörpert den ehemaligen finnischen Weltklasse-Skispringer Matti Nykänen, dessen notorische alkoholbedingten Ausfälle es noch immer in die Schlagzeilen schaffen.

Das war nicht immer so. Zu seiner aktiven Zeit war der viermalige Olympiasieger und siebenmalige Weltmeister zwar ein ebenso unverbesserlicher Troublemaker, aber seine Ausfälle und besoffenen Idiotien wurden vom finnischen Verband geheim gehalten. In der jetzt auf dem »European Film Market« der Berlinale gezeigten Film »Matti – Hell is for Heroes« erklären die Funktionäre einem Reporter, dass der verbotene Diskoausflug des weltbesten Skispringers aller Zeiten zwar eigentlich zum Ausschluss führen müsste, man sich es aber nicht leisten könne, den Mann nach Hause zu schicken. An Nykänens Erfolgen hängen schließlich Sponsorengelder und staatliche Zuschüsse, auch für den Verband.

Und so wird es nicht öffentlich, wenn Matti sich lieber mit seinem Kumpel, dem großmäuligen Voll-Asi Nikke, in einer Bar zulaufen lässt, als beim Empfang des Bürgermeisters seines Heimatortes zu erscheinen, wenn beide gemeinsam im Suff die Cafeteria des Trainingslagers verwüsten, wenn er die Ausgangserlaubnis missachtet und betrunkene Mädchen aus der Disko mit ins Mannschaftsquartier nimmt.

Ob Matti damals noch hätte geholfen werden können, ist unklar, denn eine der Schlüsselszenen des Films zeigt drastisch die innere Leere des Superstars. Auf die Frage seines besorgten Trainers, wie er sich denn das Leben nach dem Sport vorstelle, antwortet er zunächst nicht. Erst als der Coach insistiert, weiß Matti, welche weitere berufliche Karriere er dann anstreben will: »Skispringer.«

Und so lebt Matti, als gäbe es kein Morgen. Im sicheren Bewusstsein seines Starruhms lässt er sich vom Kleinkriminellen Nikke nicht nur regelmäßig zu Saufgelagen überreden, sondern investiert auch bereitwillig Geld in seine Schnapsideen. Mit dem Erfolg, dass die Millionen, die Nykänen während seiner aktiven Zeit verdient hat, im skisprunglosen Folgeleben rasch ausgegeben sind.

Was bleibt, ist das dümmlich betrunkene Grinsen, mit dem Matti in völliger Selbstüberschätzung seine jeweils neuen Karrieren als talentloser Sänger, als Animateur, als Stripper, als Aktmodell und als Softpornodarsteller beginnt und immer wieder betont, dass er eben ein geborener Star sei, der dem Publikum Unterhaltung zu bieten habe. Dass das Publikum nur noch den zur Witzfigur mutierten Helden sehen will, merkt er ebenso wenig wie die Tatsache, dass er einfach nur leichte Beute für die männlichen und weib­lichen Nikkes dieser Welt ist.

Selten wurde das Scheitern eines Lebens so in all seiner Nervigkeit und lähmenden Doofheit gezeigt; auch wenn man weiß, dass Matti beispielsweise seine Frau wieder im Suff verprügeln und im Knast landen wird, hofft man doch, dass die entscheidenden Schläge diesmal vielleicht ausbleiben werden. Einfach nur, um den Glauben an die Lernfähigkeit des Menschen nicht zu verlieren.

Nykänen kam zur Premierenfeier in eine Berliner Bar. Er sagte, »Matti« sei »ein sensationeller Film«. Immerhin, er trank Orangensaft.

elke Wittich und axel grumbach