BKA around the World

Kooperation mit Folterregimen, Maßnahmen zur Flüchtlingsabwehr, weltweite Trainingsmaßnahmen: Das Bundeskriminalamt verstärkt seine Tätigkeiten im Ausland. von jörg kronauer

War Gerhard Lehmann in Afghanistan? War er im Urlaub? War er gar in Afghanistan im Urlaub? Mit diesen Fragen muss sich der Parlamentarische Untersuchungsausschuss beschäftigen, der geheime Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Bundeskriminalamtes (BKA) zum Thema hat. Khaled al-Masri, ein vor zwei Jahren nach Afghanistan entführter deutscher Staatsbürger, ist sich sicher, dass er in seinem afghanischen Foltergefängnis von einem Deutschen besucht worden ist, und dieser habe ausgesehen wie Gerhard Lehmann. Sollte seine Erinnerung nicht trügen, dann bestätigte sich der Verdacht gegen eine Bundesbehörde, dass sie an kriminellen Auslandsko­ope­ra­tio­nen beteiligt ist. Lehmann ist seit Jahren international tätig für das Bundeskriminalamt (BKA).

Dessen Auslandstätigkeit ist in Paragraph 3 des BKA-Gesetzes geregelt. Der polizeiliche »Dienst­verkehr« mit »öffent­lichen Stellen anderer Staaten« sei Aufgabe der Behörde, heißt es dort. Der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, hat kürzlich angekündigt, dass die internationale Arbeit seiner Behörde in den kommenden Jahren weiter intensiviert werden soll. Dabei ist sie bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1951 systematisch ausgebaut wor­den.

Zu den ältesten Formen des internationalen »Dienstverkehrs« gehört die »Ausbildungs- und Ausstattungshilfe«, in deren Rahmen bis heute Polizisten anderer Länder von deutschen Kollegen des BKA trainiert und ausgerüstet werden. »Wir haben ständig Gäste und ›Schüler‹ aus dem Ausland hier, und häufig sind Beamte meines Am­tes in weit entfernten Ländern mit Ausbildung und Ausrüstung befasst«, berichtete der damalige Präsident des BKA, Paul Dickopf, bereits im Jahr 1969. Er selbst hatte seine polizeiliche Ausbildung in den nationalsozialistischen Apparaten der drei­ßiger Jahre erhalten und war seit Ende der vierziger Jahre maßgeblich mit dem Aufbau des Bundes­kriminalamts befasst.

Uneigennützig war der damalige Export preu­ßischer Polizeitraditionen kaum. Im Hintergrund standen Bestrebungen, »in der Zeit des Kalten Kriegs Einfluss in den Ländern der Dritten Welt zu erlangen«, schreibt der Historiker Dieter Schenk in einem Grundlagenwerk mit dem Titel: »Auf dem rechten Auge blind – die braunen Wurzeln des BKA«. (Jungle World, 50/05) Besondere Empfindsamkeit für das Thema Folter gab es dabei nicht. Im Jahr 1988 etwa wurden 130 Besucher aus Folterstaaten und 18 Gäste aus Ländern mit Todesschwadronen im BKA empfangen, zugleich suchten 143 Beamte des BKA Polizeibehörden von Folterregimen auf, elf Beamte reisten dienstlich in Staaten mit Todesschwadronen, legte Schenk dar. Er war selbst über Jahre hin als Kriminaldirektor für die Wiesbadener Behörde tätig und habe während seiner Auslandstätigkeit feststellen können, dass »Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe in vielen Fällen die verbrecherische Polizei des Empfängerstaates in die Lage versetzt, ihr menschenrechtswidriges Handwerk umso effizienter zu betreiben«.

In den achtziger Jahren nahm das BKA eine neue Art der Auslandskooperation auf. »Vorverlagerungsstrategie« hieß das Schlagwort. Es ging darum, das eigene Staatsgebiet von der Bekämpfung international agierender Übeltäter zu entlasten und die polizeiliche Tätigkeit möglichst weit ins Ausland auszudehnen. Einstiegsdroge war, wie so oft, der Kampf gegen »Rauschmittelmissbrauch«. Seinen ersten »Rauschgiftverbindungsbeamten« installierte das BKA am 12. April 1983 in Bangkok. Doch wie das Leben so spielt, im Laufe der Jahre »wurde der Zuständigkeitsradius der Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes zwangsläufig erweitert«, berichtet die Behörde auf ihrer Homepage. Ebenso »zwangsläufig« sind inzwischen mehr als 60 ihrer Verbindungsbeamten in 48 Staaten weltweit stationiert.

Einen Verbindungsbeamten unterhält das BKA auch im Libanon. Seine Tätigkeit fand kürzlich im Zusammenhang mit einem besonderen Fall von »Vorverlagerungsstrategie« öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei ging es um die Festnahme eines Münchner Autohändlers, der im September 2002 auf einer Reise nach Beirut von libanesischen Sicherheitskräften inhaftiert worden war – unter Beobachtung von Beamten des BKA.

Die für die Kooperation nötigen Arbeits­kontakte hatte zuvor der Beiruter Verbindungsbeamte des BKA aktiviert. Er nahm auch Verhörfragen aus der deutschen Zentrale entgegen, die dem festgenommenen Münchner von den Beiruter Kollegen präsentiert wurden, und übermittelte die Antworten nach Deutschland. Bekannt wurde der Fall nur, weil der damals in den Libanon entsandte Kriminal­oberkommissar Ralph Trede von den mutmaßlichen Folterpraktiken der nah­östlichen Koopera­tionspartner des BKA berichtete. Der Vorwurf, die deutsche Behörde betreibe »Out­sour­cing von Folter«, wird seither allenthalben erhoben.

Zu den Aufgaben des Beiruter Verbindungs­beamten gehörte zur selben Zeit auch die Begleitung der »Operation Mare« des BKA. Dabei handelte es sich um den Versuch, in Zusammen­arbeit mit libanesischen und syrischen Sicherheitsbehörden unerwünschte Schiffsreisen von Flüchtlingen in die europäischen Wohlstandszentren zu unterbinden. Die Maßnahme zur Flüchtlingsabwehr, vom BKA als erfolgreich beurteilt, konnte auf langjähriger Ausbildungs- und Ausstattungshilfe aufbauen, die das BKA nicht nur mit Syrien und dem Libanon, sondern auch mit Marokko und Ägypten unterhielt. Ab­gesehen von Libyen sind in sämtlichen nord­af­ri­kanischen Mittelmeerländern auch Verbindungs­beamte des BKA stationiert, ihre Einsatzorte gelten ebenso als Folterstaaten wie Syrien und der Libanon. Ob die deutschen Beamten dort ebenfalls in die Flüchtlingsabwehr eingebunden werden, ist nicht klar.

Jörg Ziercke jedenfalls hat angekündigt, die internationale Tätigkeit des Bundeskriminalamts zu intensivieren. Die »bereits seit Jahren mit Erfolg praktizierte Vorverlagerungsstrategie« müsse weiter ausgebaut werden, sagte er Anfang November auf der Herbsttagung des BKA. Dabei gehe es insbesondere um »die gezielte und ergänzende personelle praktische Be­treuung und Unterstützung polizeilicher Kräfte vor Ort«. Ein Pilotprojekt ist in Tadschikistan geplant. Wie Amnesty International mitteilt, liegen »Berichte über Misshandlungen und Folterungen durch die Polizei« in dem zentralasiatischen Land vor. Für das Bundeskriminalamt ist das jedoch kein Hindernis für die Erweiterung seiner Tätigkeit.

In die polizeiliche Arbeit will Ziercke in Zukunft auch nichtpolizeiliche Kräfte einbeziehen. Enge Kontakte zum Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr bestünden bereits, jetzt müsse das BKA auch die Auslandszentralen deut­scher Firmen stärker einbeziehen, kündigte er auf der Tagung an. »Große deutsche Unternehmen« hätten »ihre Präsenz im Ausland in den vergangenen Jahren stark ausgedehnt«. Ihre Sicherheitsabteilungen verfügten über detaillierte Kenntnisse über die Kri­minalitätsstrukturen in den jeweiligen Ländern: »Genau um diese Einschätzung geht es auch uns.«

Ob der BKA-Mann Gerhard Lehmann tat­säch­lich al-Masri in dessen afghanischem Folter­ge­fängnis traf oder wirklich an einem unbe­kann­­tem Ort in Urlaub war, als der Verschleppte Besuch aus Deutschland bekam, ist eine entscheidende Frage. Und wenn er tatsächlich nicht in Afghanistan war? Kooperation mit Folterregimen, der Bundeswehr und Konzernen, Maßnah­men zur Flüchtlingsabwehr, weltweite Trai­nings- und Ausrüstungsmaßnahmen nach preu­ßischer Tradition – die globale Tätigkeit des BKA ist auch ohne besondere Skandale bemerkenswert.