Hassverbrechen aus dem Kinderheim

In Portugal wurde eine Transsexuelle von einer Gruppe Minderjähriger gefoltert und umgebracht. Die Medien verharmlosen das Verbrechen. von wibke bergemann

Mindestens zwei Tage lang wurde die Transsexuelle Gisberta S. Ende Februar in der portugiesischen Hafenstadt Porto gefoltert. Anschließend warfen ihre Peiniger sie in einen mit Wasser gefüllten Schacht, in dem die 46jährige dem Obduktionsbericht zufolge ertrank. Dennoch stellte die portugiesische Tageszeitung Público zunächst in Frage, ob Gisberta nicht aufgrund ihres schlechten gesundheitlichen Zustands starb – sie war schließlich HIV-positiv und drogenabhängig –, und machte die Transsexuelle indirekt selbst für ihren Tod verantwortlich.

Der Mord an Gisberta und die anschließenden Reak­tionen machen deutlich, wie weit verbreitet die Homophobie in der portugiesischen Gesellschaft ist. Keine der politischen Parteien verurteilte offiziell das Verbrechen. In der Berichterstattung der portugiesischen Medien wurde vor allem Gisbertas Obdachlosigkeit hervorgehoben. Sie hatte zuletzt in einer Bauruine gelebt, in der sie auch ermordet wurde. Dass sie als Brasilianerin nach Europa gekommen war, um hier das Geld für eine Geschlechts­operation zu verdienen, und als Transsexuelle, Migrantin und Sex­arbei­terin mehrfach stigmatisiert und ge­sellschaft­lich ausgegrenzt war, wurde nur beiläufig erwähnt. Die Mehrheit der Medien ignorierte zudem die sexuelle Komponente der Folter, beschrieb Gisberta als einen Mann oder Transvestiten und vermied es, von einem Hassverbrechen an einer Transsexuellen zu sprechen.

Grund für die Verharmlosung ist wohl auch, dass die Täter 13 Minderjährige zwischen 13 und 16 Jahren sind, die in einem katholischen Heim für schwer erziehbare Kinder in der Nähe des Tatorts untergebracht waren. Die Tat sei eher »unbewusst als vorsätzlich« begangen worden, schrieb etwa die Tageszeitung Público. Die portugiesische Anti-Homophobie-Organisation Panteras Rosas nimmt dagegen die Gesellschaft in die Verantwortung: »Wir fragen nicht, ob Kinder fähig sind zu hassen. Es ist die portugiesische Gesellschaft, die hasst und in der die Kinder aufwachsen«, so die Aktivisten in einer Presseerklärung.

Die portugiesische Öffentlichkeit diskutiert nun den Umgang mit jugendlichen Straftätern. Die Regierung in Lissabon erwägt, das Mindestalter für Straffähigkeit herabzusetzen. »Wir zögen es vor, der Staat würde seine Verantwortung gegenüber gefährdeten Jugendlichen wahrnehmen, statt sie der Kirche mit ihrer diskriminierenden Haltung gegenüber sexuellen Minderheiten zu überlassen«, erklärte der Sprecher von Panteras Rosas Sérgio Vitorino.

Für Empörung hatte kurz nach dem Verbrechen der katholische Priester Lino Maio gesorgt. Der Präsident der Union sozialer Einrichtungen, zu der auch jenes Kinderheim gehört, aus dem die Täter stammten, gestand den Jugendlichen »mildernde Umstände« zu, da sie »Gerechtigkeit mit bloßen Händen geübt« hätten. Sie hätten dabei lediglich das falsche Opfer erwischt. Angeblich waren Kinder in dem Heim zuvor sexuell belästigt worden.

»Die Frage ist nicht, wie konnte das geschehen, sondern: Warum ist das nicht schon früher geschehen?« meint die portugiesische Aktivistin Jó Bernardo von der Transgender-Organisa­tion AT angesichts der alltäglichen Diskriminierungen. In Portugal sind Transsexuelle besonders von gewalttätigen Übergriffen bedroht. Einer Umfrage der Organisa­tion zufolge prostituiert sich über die Hälfte der portugiesischen Transgender-Personen. »Sexarbeiterinnen werden noch stärker gesellschaftlich ausgegrenzt als Transsexuelle«, meint Bernardo.

Das Europäische Transgender-Netzwerk will nun mit Aktionen auf den Fall Gisberta S. aufmerksam machen. Denn demnächst beginnt der Prozess gegen den ältesten der Jugendlichen, einen 16jährigen. Die Verhandlung wird nach Auffassung der Aktivisten zeigen, wie die portugiesische Gesellschaft mit ihren Minderheiten umgeht.