»Ich will offensiv debattieren«

Ein Interview mit dem vom Berufsverbot betroffenen Realschullehrer michael csaszkóczy

Weil er in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg mitarbeitet, will Baden-Württemberg Michael Csaszkóczy nicht in den Schuldienst aufnehmen. Das Verwaltungsgericht in Karlsruhe gab dem Land Recht.

Was war Ihre persönliche Reaktion auf das Urteil?

Erwartet haben wir das. Selbst wenn ein Urteil zu meinen Gunsten gefällt worden wäre, hätte es wohl keine Rechtskraft erlangt, da es sich um eine Aus­ein­andersetzung zwischen mir und dem Staat handelt, der vermutlich in jedem Fall Rechtsmittel eingelegt hätte. Jetzt werden wir einen Antrag auf Berufung stellen.

Welche Chancen sehen Sie für Ihre weitere Laufbahn als Lehrer?

Eine wirkliche Rehabilitierung und Entschädigung hat eine einzige Lehrerin, die als eine der letzten 1987 Berufsverbot erhalten hatte, erst 1995 vor dem Europäischen Gerichtshof erreicht. Unter Umständen wird ein solcher Schritt auch für mich notwendig sein.

Inwieweit betrifft der Prozess Ihr politisches Engagement?

Meine Schwerpunkte liegen momentan eher auf der Arbeit gegen Repression und für Bündnisse mit den Gewerkschaften. Aber ich habe ganz gewiss nicht vor, mich ins Private zurückzuziehen. Es gibt auch keinen Anlass, vorsichtiger zu sein. Ich habe mich entschieden, die Debatten, um die es geht, sehr offensiv zu führen.

Wie groß ist die Unterstützung der Gewerkschaft und anderer Lehrer?

Die GEW hat sich mittlerweile sehr eindeutig für mich positioniert, bis hin zur Gewerkschaftsführung. Sie gibt mir auch Rechtsschutz. An der Kampagne »10 000 Stimmen gegen Berufsverbote« beteiligen sich immer mehr Lehrer und Lehrerinnen. Dass es dafür hierzulande des Mutes bedarf, zeigt, welche verheerenden Folgen der Radikalenerlass für das politische Klima und speziell für den öffentlichen Dienst an den Schulen hat.

Sind Sie noch motiviert, in den Staatsdienst zu gehen, obwohl der Staat Ihnen offensichtlich nicht vertraut?

Klar ist das weiterhin mein Ziel. Ich will nicht Lehrer werden, um Beamter zu werden, sondern weil das der Beruf ist, für den ich tauge, den ich gelernt habe und der mir Spaß macht.

Wie reagieren Sie auf die Kritik daran, dass jemand, der den deutschen Staat in grundsätzlichen Fragen kritisiert, nun Rechtsmittel einlegt, um im Dienste dieses Staates zu arbeiten?

Grundsätzliche Kritik an gesellschaftlicher und staatlicher Wirklichkeit ist so notwendig wie legitim. Aber in den letzten 15 Jahren war es meist die radikale Linke, die versucht hat, Elemente der Ver­fassung zu verteidigen, sei es bei der Abschaffung des Asylrechts oder bezüglich des Verbotes eines Angriffskrieges. Da sollte sich die Linke nicht in die eigene Tasche lügen und irgendwelchen Revolu­tionsphantasien nachhängen.

In der neuen Urteilsbegründung geht es darum, dass die Antifaschistische Initiative Heidelberg die »Grenzen einer legitimen Kritik unseres Staates und seiner Verfassung mit Augenmaß weit überschritten« und »die Bundesrepublik Deutschland haltlos angegriffen und diffamiert« habe.

Es hat mich erschreckt, dass dies so offen und dreist formuliert wurde. Meiner Meinung nach ist es selbst in der bürgerlichen Öffentlichkeit nicht mehr strittig, dass es Kontinuitäten zwischen dem Nationalsozialismus und der BRD gegeben hat oder dass rassistische Übergriffe mittlerweile in Deutschland zum Alltag gehören. Solche Tatsachen als illegitime Kritik am Staat festschreiben zu wollen, ist ein höchst fragwürdiger Versuch, Geschichtspolitik von oben zu verordnen.

Wie sieht es denn nun aus mit Ihrer Verfassungstreue?

Die Frage bekomme ich gerade ständig gestellt. Sie offenbart die Lust, sich an dem staatlichen Inquisitionsspielchen beteiligen zu dürfen. Wer darauf eine Antwort will, soll sich anschauen, was ich gesagt, geschrieben und gemacht habe, und dann sein eigenes Urteil fällen. Warum wird die Frage mir gestellt, aber nicht etwa Frau Schavan, die Herrn Filbinger als Ehrenvorsitzenden in ihrer Partei hofiert?

interview: thorsten mense