Warlords sind das Problem
Immer wenn deutsche Soldaten zu einem Auslandseinsatz ausrücken sollen, beginnt in der Linken die Suche nach den Rohstoffquellen oder Pipelinerouten. Und da deutsche Unternehmen in fast jedem Land der Welt tätig sind, findet sich immer ein potenzieller Profiteur. Auch im Kongo. Doch wenn der Zugriff auf die Rohstoffe des Landes eine so wichtige Sache ist, warum erfolgt die Intervention erst jetzt, fast zehn Jahre nach dem Beginn des Konflikts?
Jede Großmacht vertritt in der globalen Konkurrenz um Märkte und Einflusszonen die Interessen der auf ihrem Territorium ansässigen Unternehmen auch mit militärischen Mitteln. Dass deutsche Soldaten für die Auftragsakquise oder die Schürfrechte einzelner Firmen eingesetzt werden, würden jedoch schon die ihren Unternehmen verpflichteten europäischen Militärpartner zu verhindern wissen. Vielmehr geht es bei den Militärinterventionen der Uno und der EU gerade darum, die durch die Konkurrenz um die Rohstoffausbeutung verursachten Kämpfe zu beenden.
An unternehmerischer Initiative hat es im Kongo-Konflikt nie gemangelt. Der US-Bergbaukonzern American Mineral Fields unterstützte 1996 die Truppen Laurent Kabilas, die das Regime Mobutus und mit ihm das Monopol französischer und belgischer Unternehmen beseitigten. Die aber mochten sich mit den neuen Verhältnissen nicht abfinden, und im Verlauf der weiteren Eskalation intervenierten zeitweise sieben afrikanische Staaten, die den Krieg durch die Rohstoffausbeutung refinanzieren wollten. Die Uno agiert nun als globaler ideeller Gesamtkapitalist, dessen Aufgabe es ist, den gewalttätigen Konkurrenzkampf zu beenden und gleiche Geschäftsbedingungen für alle herzustellen.
Wie in anderen Bürgerkriegsstaaten bedeutet das auch im Kongo, die Warlords in ein parlamentarisches System zu integrieren. Gelingt das, so können sie fortan Rohstoffe und Bevölkerung mit demokratischer Legitimation ausplündern. Da aber das Ergebnis der für Juni geplanten Wahlen möglicherweise nicht dem militärischen Kräfteverhältnis entsprechen wird, soll die europäische Truppe potenziell widerspenstige Warlords einschüchtern. Das ist schlecht improvisiertes Krisenmanagement, denn der Militärputsch in Kinshasa, den die EU-Truppe verhindern soll, ist die unwahrscheinlichste Variante einer gewaltsamen Korrektur des Wahlergebnisses. Lukrativer als die Herrschaft über die Hauptstadt ist die Kontrolle der rohstoffreichen Provinzen, und Kämpfe dort kann die EU-Truppe nicht verhindern.
Der Einsatz ist sinnlos, deshalb ist es aber auch unwahrscheinlich, dass die europäischen Soldaten größeren Schaden anrichten werden. Sich gegen die Militärintervention zu wenden, um der Weltmachtpolitik Deutschlands und der EU zu schaden, ist richtig und notwendig. Es wird der Lage im Kongo jedoch nicht gerecht, wenn die Präsenz der harmlosesten Kriegspartei als besonderes Problem herausgehoben wird. Auch bei den nunmehr »robusten« Einsätzen der UN-Truppe gegen Milizen, die sich der Entwaffnung verweigern, werden Zivilisten getötet, doch hat sie nur einen winzigen Bruchteil der etwa vier Millionen Kriegsopfer zu verantworten. Anders als kongolesische Milizionäre töten Blauhelmsoldaten an einer Straßensperre nicht wegen eines falschen Wortes oder ein paar Schuhen.
Ein Abzug der ausländischen Truppen würde die Lage der Bevölkerung nicht verbessern. Eine Alternative zur Interventionsstrategie der »internationalen Gemeinschaft« zu entwickeln, erfordert zunächst, die Probleme beim nation building als Folge einer kapitalistischen Politik zu analysieren, die zwar die Rohstoffe des Kongo schätzt, mit der sie umgebenden Bevölkerung aber wenig anzufangen weiß. Bedauerlicherweise gilt das auch für die Linke.
Das Problem der Warlordisierung zu ignorieren oder, wie der Bundesausschuss Friedensratschlag, normativ »zivile Lösungen« für ein Land zu fordern, in dem keine Nahrungsmittellieferung ohne bewaffneten Schutz ihr Ziel erreicht, ist jedenfalls wenig hilfreich. Und Sklavenarbeiter im Ostkongo schürfen nicht nur für Raketenbauteile, sondern auch für die Handys, mit denen Linke Absprachen für die nächste Antifa-Demonstration treffen.