Schläger aus Kurpfalz

In der Region Rhein-Neckar treten Neonazis immer offensiver auf. Manchmal prügeln sie sich aber auch untereinander. von sören maier

Es gibt kein ruhiges Hinterland. Derzeit ist das besonders deutlich in der Region um Mannheim und Ludwigshafen zu beobachten. Nicht nur, dass fast die gesamte Struktur der regionalen Neonazi-Szene vor kurzem durch den Hack des internen Internetforums Hatecoretk.com offen gelegt wurde, auch bekämpfen sich die Kameraden kräftig untereinander. Das mag Grund zum Schmunzeln sein, doch tritt der »nationale Wider­stand« immer offener und häufiger mit Aktionen in Erscheinung.

Anfang der neunziger Jahre herrschte in der Region schon einmal eine rechte Hegemonie. In fast jeder Kleinstadt gab es damals eine Neonazi-Szene, und die Republikaner erreichten 1992 über zehn Prozent bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Im selben Jahr griffen hunderte Bür­ger über mehrere Tage hinweg ein Flüchtlingsheim im Mann­­heimer Stadtteil Schönau an. Nachdem es Ende der Neunziger relativ ruhig geworden war, konnte man in den vergangenen Jahren eine Re­orga­nisierung der Neo­nazis be­obach­ten.

Einige Nazikader haben sich mitt­lerweile in Mannheim und Ludwigshafen niedergelassen, der wohl bekannteste unter ihnen ist der mehrfach wegen Gewalttaten vorbestrafte Christian Hehl. Der auch über deutsche Grenzen hinaus bekannte Aktivist der inzwischen verbotenen Organisation Blood & Honour war im vergangenen Jahr vor allem damit beschäftigt, Neo­na­zi­kon­zer­te im Treffpunkt des Mannheimer Rocker­clubs »Bandidos« zu organisieren. Zeitweise gab es dort fast wöchentlich Veranstaltungen, so dass »im ersten Halbjahr 2005 alleine in Mannheim mehr Nazirockkonzerte stattgefunden haben als 2004 in ganz Baden-Württem­berg«, wie es in einer Antifa-Broschüre heißt.

Ein weiterer Anführer der Szene ist Mat­thias Her­mann aus Ludwigshafen, der sich vor allem mit der Koordinierung des »Aktionsbüros Rhein-Ne­ckar« beschäftigt. Dies ist ein Zusammenschluss verschiedener »freier Kameradschaften« und zählt dem Informationszentrum Apabiz zufolge zu den »aktivsten Neonazistrukturen in ganz Deutschland«. Das »Büro« wurde im Sommer 2003 gegründet, seine Mitglieder tun sich vor allem mit ihrem provokanten Auftreten hervor. Im Bundestagswahlkampf störten sie mehrere Veranstaltungen großer Parteien, und im hessischen Bensheim griffen sie eine Informationsveranstaltung gegen den Heß-Marsch an. Im Oktober tauchten sie bei einer Lesung von Jan Phillip Reemtsma in Mannheim mit über 60 Kameraden auf und bedrohten die Zuhörer. Zuletzt flog im Dezember ei­ne Kampf­sportgruppe von Mitgliedern des Aktionsbüros in Mannheim auf.

Kenntnisse in Selbstverteidigung brauchen die Neonazis offensichtlich auch, um sich gegen die eigenen Kameraden zu schützen. Im November überfielen Mitglieder der »White Unity«, einer Nachfolgegruppe der unterfränkischen Abteilung von Blood & Honour, ein Konzert, das vom »Nibelungensturm Odenwald« organisiert worden war. Mit sieben Autos fuhren sie in dem kleinen hessischen Ort Mitlechtern vor, prügelten mehrere ihrer Kameraden krankenhausreif, bedrohten die Anwesenden mit abgebrochenen Bierflaschen und verbrannten im Anschluss T-Shirts und Propagandamaterial des »Nibelungen­sturms«. Auch die Kasse nahmen sie mit.

In dem gehackten Forum wurden diese Vorfälle eifrig diskutiert. Auch die Möglich­keit einer Anzeige wurde angesprochen, denn »dann hätte jeder von denen wegen gemeinschaftlichem Raubüberfall, Körper­verletzung, vielleicht sogar versuchtem Tot­schlag fünf Jahre zu erwarten. Ach ja, Weiterführung einer verbotenen Vereinigung kommt auch dazu«, schrieb »Hehli« alias Christian Hehl, der Mitglied des Forums ist.

Das sah die Polizei offensichtlich genauso, eine Razzia wegen Weiterführung der verbotenen Blood & Honour-Organisation Mitte März scheint mit den Informationen aus dem Forum in Zusammenhang zu stehen. Im Zuge der Razzia wurden in ganz Deutsch­land 119 Objekte durchsucht, dabei wurden nach Polizeiangaben neben Propagandamaterial auch Waffen sichergestellt, unter anderem eine funktionsfähige Handgranate. Während der Aktion wurde auch Michael Zazke aus Montabaur festgenommen, der in dem Forum als Rädelsführer des Überfalls auf das Konzert genannt wurde.

Ebenfalls interessant für die Staatsanwaltschaft könnte ein Abkommen zwischen der NPD und den »freien Kräften« vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz sein, die am vorvergangenen Sonntag stattgefunden hat. Die »freien Kräfte« rühmen sich im Internet damit, als Gegenleistung für die Unterstützung des Wahlkampfs der NPD drei »bekennende Nazis« – René Rodriguez-Teufer, Sven Lobeck und Mario Matthes – auf die Kandidatenliste gebracht zu haben.

Das Interessante dabei ist, dass die Erklärung mit den Namen der »freien« Kandidaten im Hatecore-Forum auf die Woche vor der Listenwahl datiert war. Nach dem Wahlgesetz müssten die Kandidaten eigentlich in einer demokratischen Wahl bestimmt werden. In dem Forum findet sich auch eine E-Mail des ehemaligen Vorsitzenden der NPD, Gün­ter Deckert, der sich darüber beschwert, dass die NPD 10 000 Euro an die militanten Neonazis für ihre Wahlkampf­hilfe gezahlt habe.

Finanzielle Probleme dürften die Neonazis daher in naher Zukunft wohl nicht haben. Auch über einen Mangel an Nachwuchs können sie sich offenbar nicht beschweren, wie ein anderer Beitrag im Forum nahe legt: »Ich finde es schön, dass wir neue Leute dazubekommen und stetig wachsen. Allerdings empfinde ich es eher als Nachteil, wenn man mit neuen Leuten überrannt wird.«

Um dieser ganzen Entwicklung etwas entgegen­zusetzen, gab es in Ludwigshafen Anfang März eine antifaschistische Demonstration mit 600 Teil­nehmern. Jedoch zeigt die rechts­extreme Szene trotz aller Rückschläge, sei es die Veröffentlichung von Interna oder seien es gehäufte Aktionen von Antifas, kaum Zurückhaltung. Für den 8. April rufen die »Freien Nationalisten Rhein-Neckar« zu einer bundesweiten Demons­tration in Mannheim auf. Anlass hierfür ist der laufende Prozess gegen den Holocaustleugner Ernst Zündel (Jungle World, 11/06) am dortigen Amtsgericht. Mit Aktio­nen unter dem Motto »Läuft nicht!« will der »AK Antifa« aus Mannheim an diesem Tag deutlich machen, dass Mannheim keine »national befreite Zone« ist.