Wo Mausebär die Meinhof traf

Konkret und die SED: Bettina Röhl hat ihre Familiengeschichte erzählt. von jörg sundermeier

Sie hat es nicht einfach. Denn Bettina Röhl ist die Tochter von Ulrike Meinhof und Klaus Rainer Röhl. Ulrike Marie Meinhof wuchs in einem libe­ralen Umfeld unter der Obhut der Professorin Renate Riemeck auf, engagierte sich früh in der Bewegung gegen die atomare Aufrüstung der BRD, wurde zunächst Chefredakteurin, dann wichtigste Kolumnistin der Zeitschrift konkret, arbeitete zudem für Rundfunk und Fernsehen, engagierte sich in der Studen­tenbewegung, verkehrte mit Peter Rühmkorf, Rudi Dutschke oder Joachim Fest, befreite schließlich in einer spektakulären Aktion Andreas Baader aus der Haft, lebte im Untergrund, gründete mit ihren Genossinnen und Genossen die RAF, die zunächst in den Me­dien »Baader-Meinhof-Bande« genannt wurde, und 1976 schließlich wurde sie tot in ihrer Zelle aufgefunden – bis heute gehört »Mord oder Selbstmord« zu den beliebtesten linken Stammtischdiskussionen.

Klaus Rainer Röhl, der als ausgebuffter Jour­nalist galt, gründete 1955 mit Rühmkorf und an­deren den Studenten-Kurier, aus der zwei Jahre später konkret wurde, bald die wichtigste linke Zeitschrift. Konkret unter Röhl erfuhr um 1968 die größte Aufmerksamkeit, sie mischte ihre Po­litbeiträge mit Beschreibungen von LSD-Erfahrungen oder druckte Titelgeschichten wie »Picasso, Puffs und Polizei«, »Krank vor Sex – Jugendliche packen aus« und »Was Mädchen weich macht, Rezepte für Männer«, die mit reichlich nackter Haut bebildert waren.

Röhls konkret ging 1973 in Konkurs, er selbst war zu diesem Zeitpunkt schon entmachtet, er gründete die Zeitschrift das da, die noch porno­grafischer war, während konkret, nun unter der Leitung des früheren, gegen Röhl opponierenden Redakteurs Hermann L. Gremliza, neu gegründet wurde – jetzt ohne Bilder von unbekleideten Frauen. Das da scheiterte, Röhl schlug sich als Buchautor durch und wurde vergessen. Heute geht er nur noch selten an die Öffentlich­keit, etwa wenn es einen Aufruf für die Junge Freiheit zu unterzeichnen gilt. Als »Dr. Klaus Rainer Röhl, Journalist und Ex-Herausgeber der Zeitschrift konkret« firmiert er dann.

Bettina Röhl selbst hat sich einen Namen zu machen versucht, als sie vor einigen Jahren nachweisen wollte, dass Joschka Fischer in seiner Zeit als Linker ein Schläger war. Sie versuchte, als Autorin für Cicero, die taz oder die Netzeitung in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten. Und mit ihrem Buch »So macht Kommunismus Spaß«, dessen erste Auflage sich mithilfe von Vorabdrucken in Spiegel und taz binnen kürzester Zeit verkauft hat, widmet sie sich nun der Geschichte der Eltern.

Wie der Untertitel »Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret« schon andeutet, hat sie dabei ein paar Enthüllungen zu bieten. Sie präsentiert eine Akte aus der DDR, die detailliert nachweist, wie der Studenten-Kurier und sein pub­lizistisches Nachfolgeprojekt bis Mitte der sechziger Jahre von der DDR finanziert worden sind und wie die DDR versuchte, auf die Zeitschrift – und somit auf die Studierenden in Westdeutschland – Einfluss zu nehmen. Dass Röhl und seine Zeitschrift wie so viele andere links­oppo­sitionelle Grup­pen und Organe in Westdeutschland bezuschusst wurden, ist nicht neu. Klaus Röhl selbst hat es bald nach seinem Ausschluss aus der konkret-Redaktion offenbart. Dass aber er und seine Gattin Ulrike nicht nur eine Zeit lang Mitglied der illegalen, in Westdeutschland mit aller Härte verfolgten KPD waren, ist neu. Neu ist auch, dass Meinhof, im Gegensatz zu ihrem Gatten, nie aus der Par­tei ausgeschlossen wurde und dass ihre Genossen sogar versuchten, sie aus dem Untergrund in die DDR zu bringen und dort mit einer neuen Identität zu versehen – wie es später mit anderen RAF-Leuten ja auch geschah.

Bettina Röhl hat Interviews mit ihrem Vater, den Freundinnen und Freunden ihrer Eltern, mit den politischen Drahtziehern und mit unwissenden Zuträgern gemacht, hat frühere konkret-Redakteure wie Stefan Aust oder Jürgen Manthey mit ihrer Detailkenntnis überrascht und sogar zu überraschenden Aussagen bewegen können. Ihr Pro­blem ist allerdings, dass sie mit ihren Recher­cheergebnissen nichts anzufangen weiß. Das Lektorat, das schon in Stilfragen durch Zurückhaltung glänzt, ist ebenfalls jeder Mög­lichkeit ausgewichen, das Material zu ordnen.

So bleibt das Buch eine Mischung aus Erinnerungen einer Tochter, die versucht, sich Mama und Papa zu nähern, und einem Werk, in dem versucht wird, die Geschichte einer Zeitschrift nachzuvollziehen. Es ist eine Familiengeschichte, in der Interviewpartner ihre Sätze gern mit einem »Bettinchen« oder »Mensch, Bettina« beginnen, in dem zudem der Stolz der Tochter auf den kurzen Ruhm der Eltern mitschwingt. Außerdem ist es eine Abrechnung mit den Mit­gliedern der RAF und mit Hermann L. Grem­liza, der Papas Zeitschrift weiterführt und heute den Ruhm erntet. Selbstverständlich versucht sie zu suggerieren, unter Gremliza sei die finanzielle Zusammenarbeit mit der DDR erneuert worden.

Schlimmer noch ist aber die politische Naivität der Autorin, für die der Kapitalismus und die bundesrepublikanische Gesellschaftsordnung so naturgegebene Angelegenheiten sind, dass sie nicht nur kein Verständnis für Kommunisten findet, sondern das Konzept des Staatssozialismus sowjetischer Prägung schlicht nicht begreift. Für Adenauer und seine Regierung wiederum findet sie zumeist warme Worte, kann allerdings nicht verstehen, wie diese Regierung mit Härte gegen die KPD vorgehen konnte, anstatt mit den Leuten zu diskutieren. Den Antikommunismus der Post-Nazis erklärt sie geradezu rührend: »Nachdem klar war, dass die Sowjets in der Nachkriegszeit ihr militärisches und ideologisches Bedrohungspoten­zial als real existierendes Faktum über die Elb­grenze hinaus in den Westen exportieren, fürchteten die Menschen in Westdeutschland um ihre geliebte Sicherheit. So bildete sich aus Tradition und der neu entstandenen Furchtlage heraus ein nahezu ›allgemeines Volksempfinden‹ gegen alles, was kommunistisch oder sowjetrussisch war.« Mit dem Wort »Tradition« sind die Denkweisen vom Stahlhelm bis zur SS wirklich lieb umschrieben.

Der betuliche Tonfall zieht sich durch das gesamte Buch. Wenn sie allerdings über die letzten Jahre ihrer Mutter schreibt, fällt das Wort »Irrsinn«. Am Beispiel eines Textes, in dem sich Mein­hof 1972 mit den Olympia-Attentätern solidarisiert, betont sie die antiisraelische Haltung ihrer Mutter, glaubt allerdings, dass diese »wohl tatsächlich« keine Antisemitin gewesen sei. Zugleich vermutet sie – Peter Rühm­korf, der das Vorwort schreibt, ist davon sogar gänzlich überzeugt –, dass es allein die Trennung von Klaus Röhl war, die Mein­hofs späte Terrorkarriere ausgelöst ha­be.

Wer Tratsch liebt, wer gern mal die Liebesbriefe der Meinhof an Klaus »Mausebär« Röhl lesen mag, wen die »Akte Konkret« interessiert, wird in diesem Buch einiges finden. Wer jedoch ein Werk sucht, das sich ernsthaft mit der Verknüpfung der studentischen Linken der fünfziger und sechziger Jahre mit der DDR beschäftigt, sucht hier vergeblich.

Bettina Röhl: So macht Kommunismus Spaß. Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2006, 684 Seiten, 29,80 Euro