Friendly Fire

Die Iran-Politik der USA von jörn schulz

Präsident Richard Nixon legte Wert darauf, den Feind im Unklaren über seine nächsten Schritte zu lassen. Gezielt ließ er das Gerücht streuen, er werde auch vor dem Einsatz von Atomwaffen nicht zurückschrecken, um den Vietnam-Krieg doch noch zu gewinnen. »Ich nenne das die Madman Theory, Bob«, soll er seinem Stabschef Robert Haldemann gesagt haben.

Orientiert sich George W. Bush in seiner Iran-Politik an diesem Vorbild? Da die meisten möglichen Maßnahmen gegen das iranische Nuklearrüstungsprogramm entweder extrem riskant oder wenig erfolgversprechend sind, könnte er geneigt sein, es auch einmal mit psychologischer Kriegsführung zu versuchen. Wenn der iranische Präsident Mah­moud Ahmadinejad sich schon nicht ein­schüch­tern lässt, könnten die zögerlichen Europäer vielleicht dazu gebracht werden, Sanktionen zu verhängen, um einen Krieg zu verhindern.

Dass Bush Geheiminformationen veröffentlichen lässt, wenn er dies für nützlich hält, hat er in der Debatte über die Irak-Politik bereits eingestehen müssen. Möglicherweise beruhen auch manche der Informationen aus dem Staats- und Militärapparat, die Seymour Hersh in seinem Artikel »The Iran Plans« für das Magazin New Yorker verwendete, auf gezielten Indiskretionen. Hersh, wie immer vorsichtig in seinem Urteil, spricht nicht von einem bereits verabschiedeten Kriegs­plan, sondern von Optionen. Zu diesen gehöre auch der Einsatz von Atomwaffen gegen verbunkerte unterirdische Ziele.

Allerdings wird von einem Präsidenten erwartet, dass er erst einen Krieg gewinnt, bevor er den nächsten beginnt. Und die Probleme im Irak sind so groß, dass die US-Regierung erstmals seit der Machtübernahme der Islamisten offizielle Gespräche mit Vertretern des iranischen Regimes führen will. Eine diplo­matische Annäherung ist damit nicht verbunden, es soll allein über die Lage im überwiegend schiitischen Südirak geredet werden. Bei einem Angriff wäre jedoch nicht nur jede taktische Übereinkunft mit dem Iran hinfällig. Zweifellos würde das islamistische Regime seinen Einfluss im Südirak nutzen und versuchen, dort eine zweite Front zu eröffnen.

Dies ist nur eines von vielen Risiken eines Angriffs auf den Iran, den anzuordnen für einen Präsidenten, dessen Kriegspolitik auch in seiner eigenen Partei und im Militärapparat heftig kritisiert wird, eine sehr riskante Entscheidung wäre. Derzeit ist noch Bushs Verteidigungsminister Donald Rumsfeld das Hauptziel für »friendly fire«. Generalleutnant Greg Newbold fordert im Magazin Time, »als ersten Schritt« Rumsfeld zu entlassen, dem Generalmajor Paul D. Eaton in der New York Times »unrealistisches Vertrauen in Technologie als Ersatz für Mannschaftsstärke« vorwirft. Mehr noch als für den Irak-Krieg würde diese Kritik für die von Hersh zitierten Kriegspläne gelten. Sie offenbaren ein noch größeres Vertrauen in die »Technologie«. Die Luftwaffe soll Atomanlagen und andere militärische Ziele vernichten, um einen regime change einzuleiten.

Eine militärische Konfrontation ist wahrscheinlich, wenn der Iran sein Atomrüstungsprogramm fortsetzt. Doch alles spricht dafür, dass die Mehrheit im politischen und militärischen Establishment der USA von Bush erwartet, zunächst andere Druckmittel anzuwenden, sich intensiver als vor dem Irak-Krieg um Verbündete zu bemühen und eine halbwegs realistische Militärplanung vorzulegen. Sollte der Präsident sich über alle Bedenken hinwegsetzen, könnte die Ära Nixons für den Kongress zum Vorbild werden. Denn ein Amtsenthebungsverfahren kann auch wegen Machtmissbrauch eingeleitet werden.