Vor allem Geschäfte

Seit fast sechs Monaten streiken Graduate Students der privaten New York University für die Anerkennung ihrer Gewerkschaft und einen Tarifvertrag. von benjamin weinthal

Eine private Universität, das bedeute »vor allem Geschäfte, die sich unter dem Strich rentieren«, sagt Bertell Ollman, Professor an der New York University (NYU). Er beschäftigt sich unter anderem mit marxistischer Theorie und Klassenkampf, und am eigenen Institut findet er viel Forschungsmaterial vor. Die Zeitung New York Press sprach John Sexton, dem Präsidenten der NYU, bei der Auswahl der »50 abscheulichsten New Yorker« immerhin Platz 7 zu. Den Rang verdiente er sich mit seiner Rolle bei den dubiosen Immobiliengeschäften der Universität, vor allem aber, weil er zu zeigen versuche, »wie man unterbezahlten Arbeitern das Rückgrat brechen« könne.

Seit dem 9. November 2005 streiken über 1 000 Graduate Students, Examens- und Promotionsstudenten, der NYU, weil die Verwaltung ihnen den Tarifvertrag gekündigt hat. »Der Vertrag hat eine gewisse ökonomische Sicherheit gebracht und die Lehr­bedingungen verbessert«, sagt Monika Christine Krause aus München, die zum Thema Geschichte der Menschenrechtsorganisationen promo­viert. Wie viele ihrer Kommilitonen ist sie gewerkschaftlich organisiert.

Ihre Vertretung, das Graduate Student Organizing Committee, schloss sich im Jahr 2000 der United Automobile Workers Local 2 110 an. Die Gewerkschaft vertritt unter anderem die Beschäftigten bei Daim­ler-Chrysler, wirbt aber auch um Mitglieder in Branchen, die mit der Autoindustrie nichts zu tun haben. Local 2 110 repräsentiert auch Angestellte des Museum of Modern Arts.

Im folgenden Jahr wurde das Komitee anerkannt, neun Monate später handelte es mit der NYU einen Tarifvertrag aus, den ersten für eine private Universität. Für die Studierenden bedeutete das eine erhebliche Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen: eine 38prozentige Gehaltserhöhung, Zuschläge für Überstunden, Kran­kenversicherung und volle Abdeckung der Studiengebühren und Anmeldungskosten. Zudem sind die Bestimmungen des Tarifvertrag vor Gericht einklagbar, zuvor gab es nicht einmal ein geregeltes Beschwerdeverfahren.

Die Verbindlichkeit des Tarifvertrages wurde jedoch vom National Labor Relations Board, einer von der Bundesregierung kontrollierten Behörde, aufgehoben. Sie entschied im Jahr 2004, dass Studierende keine Arbeiter im Sinne des Gesetzes seien und ihnen die entsprechenden Rechte daher nicht zustünden. »Die Studierenden haben ihre Zulassung zu der Universität nicht als Angestellte bekommen«, meint John Beckmann, der Pressesprecher der NYU.

Die Universitätsleitung könnte jedoch auf freiwilliger Basis die Gewerkschaft anerkennen. »Es gibt kein Hindernis nach dem Arbeitsgesetz«, sagt Maida Rosenstein, die Präsidentin des GSOC-UAW. Sexton aber wollte nach dem Ablauf des vier Jahre gültigen ersten Tarifvertrages nicht mehr mit der Gewerkschaft verhandeln. Unterstützt wird der Streik von Faculty Democracy, einer Gruppe von über 200 Professoren an der NYU, der auch Ollman angehört. Er hält sein Seminar über dialektische Methoden wegen des Streiks in den Räumen der Gewerkschaft ab.

Der Arbeitskampf hat exemplarische Bedeutung, nicht nur für die Graduate Students anderer Universitäten. Weniger als zehn Prozent der Beschäftigten im privaten Sektor sind gewerkschaftlich organisiert, 1955 waren es noch 35 Prozent. Für viele US-Gewerkschaften steht neben dem Dienstleistungsbereich auch das Bil­dungssystem im Mittelpunkt der Bemühungen um neue Mitglieder. Sexton dagegen hofft, dass der ökonomische und institutionelle Druck die Streikenden an ihre Arbeitsplätze zurücktreibt, und kündigte Anfang April an, die Universitätsleitung werde ihre Meinung »in diesem und dem nächsten Jahrzehnt nicht ändern«.