Fliegeralarm an der Uni

Der Rektor der Kölner Universität ließ 2 000 Studierende von der Polizei mit Gewalt aus einem Sitzungsgebäude ­entfernen. Dort sollte über Studiengebühren beraten werden. von jörg kronauer

Rektor Axel Freimuth verlor die Kontrolle. Für den Nachmittag des 3. Mai hatte er eine Sitzung des Senats der Kölner Universität anberaumt, der gegenwärtig damit befasst ist, Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester einzuführen.

Die Pläne hatten heftige Proteste ausgelöst; der Flügel im Hauptgebäude der Universität, in dem sich Freimuths Rektorat befindet, wurde bereits am 27. April von mehr als 100 Studierenden besetzt. Zunächst hinterließ der seines Arbeitsortes verlustig gegangene Universitätsleiter noch einen recht souveränen Eindruck. »Solange die kein Mobiliar zertrümmern, lassen wir das Rektorat erst mal nicht räumen«, zitierte ihn die Lokalpresse.

Doch die Souveränität ging am 3. Mai verloren. Freimuth saß bereits im Sitzungssaal des Senats, als er vom Wachdienst alarmiert wurde. Rund 2 000 Studierende drängten sich im Vorraum, auf den Treppen und in den Gängen. Sie begehrten Einlass, um dem Senat ihren Unmut über die Studiengebühren laut mitzuteilen. Kurzerhand schloss Freimuth den Sitzungssaal ab und die Öffentlichkeit aus – allerdings auch sich selbst und neun seiner Mitarbeiter ein. Nicht bedacht hatte er, dass der Senat noch nicht vollzählig anwesend war. Da mehrere Prorektoren und professorale Senatsmitglieder nicht mehr in den Saal gelangen konnten, fiel die Sitzung aus.

»Unser Protest war absolut friedlich«, erzählt ein Student, der den anschließenden Polizeieinsatz miterlebt hat, und verschüttet Kaffee auf einem Stapel von Flugblättern. Auf den Flyern stehen die Forderungen, welche die Rektoratsbesetzerinnen und -besetzer verabschiedet haben. »Verzicht auf jegliche Art von Studiengebühren« lautet die Hauptforderung, und Rektor Freimuth könnte sie erfüllen. Denn das Wissenschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen überlässt es den einzelnen Hochschulen, Studiengebühren ein­zuführen oder dies zu unterlassen. Die Forderungen Nummer zwei und drei richten sich dagegen an die Landesregierung: Die Studierenden verlangen eine ausreichende öffentliche Finanzierung der Bildung und die Demokratisierung der Hochschulen.

»Das war ein Gefühl wie im Bunker im Zweiten Weltkrieg«, stammelte nach der ausgefallenen Senatssitzung Freimuths Pressesprecher Patrick Ho­ne­cker, dem im Durcheinander offenbar die Fähigkeit abhanden gekommen war, zwischen an die Tür trommelnden Studierenden und tief fliegenden Bom­berstaffeln zu unterscheiden. Anstatt Ge­sprächs­bereitschaft zu zeigen, ließ Freimuth sich und seine Mitarbeiter schließlich von der Polizei evakuieren. Während Studierende der Kölner Universität von den Sicherheitskräften an den Haaren gezogen, in den Unterleib getreten, Treppen hinabgestoßen und mit dem Schlagstock verprügelt wurden, floh ihr Rektor durch eine von der Polizei gebahnte Gasse in ein dunkles Kellergeschoss. Eine zweistellige Zahl an Verletzten habe der Polizeieinsatz gefordert, bestätigen Augenzeugen.

Trotzdem wollen die Studierenden die Besetzung des Rektorats aufrechterhalten. Sie arbeiten weiter daran, ihre Proteste mit denen anderer zu verbinden, die sich ebenfalls gegen immer schlechtere Arbeits- und Lebensbedingungen wehren. »Wir haben einen regelmäßigen solidarischen Austausch mit dem streikenden Personal der Uniklinik«, berichtet einer. »Wir laden auch Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter dazu ein, sich mit uns gemeinsam zu engagieren, da die Kürzungen auch sie treffen werden«, sagt eine der wenigen Frauen, die sich in der von Männern dominierten Pressearbeit der Besetzerinnen und Besetzer behaupten kann. Weitere Proteste in größerem Rahmen werden bereits koordiniert.

Am frühen Sonntagabend ließ Freimuth sein Rektorat überraschend räumen. Ob das Mobiliar Schaden genommen hatte?