Superhelden bevorzugt

Die »fight 4 revolution crews« bekennen sich zum Brandanschlag auf das Auto Thomas Straubhaars vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut. von gaston kirsche

In der Nacht zum 29. April war Thomas Straubhaar, der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), nicht zu Hause in Reinbek, wohl aber seine Frau und die drei Kin­der. Gegen drei Uhr schoben Unbekannte den Klein­bus der Familie vom an das Haus angrenzenden Stellplatz und zündeten das Auto in der Auffahrt an. Einige Steine flogen gegen die Sicherheitsfenster des Hauses, rote Farbbeutel zerplatzten an seinen Wänden.

»Brandanschlag auf Top-Wissenschaftler«, titelte daraufhin die Hamburger Morgenpost. Der zuständige Lübecker Oberstaatsanwalt Günter Möller erkannte sofort, die Aktion gehe »vermutlich auf das Konto politisch sehr linker junger Leute, die sich mit den wirtschafts- und sozialpolitischen Positionen des Professors und der Institution des Instituts nicht einverstanden erklären«.

Das Hamburger Abendblatt und die Hamburger Morgenpost zitierten in den folgenden Tagen einige Halbsätze aus dem zweiseitigen Bekennerschreiben, das bei ihnen eingegangen war. Darin erklärte die bislang unbekannte Gruppe »fight 4 revolution crews«, den Brandanschlag auf das Auto der Straub­haars und einen weiteren verübt zu haben. Zwei Nächte zuvor hatten Unbekannte Steine und Farbbeutel auf das Reihenhaus eines Standortleiters der Arbeitsgemeinschaft (Arge) in Hamburg-Langenhorn geworfen, der in dem Schreiben wegen des Vorgehens der Arge gegen Empfänger von Arbeitslosengeld II als »Schnüffler« bezeichnet wird. Verletzt wurde niemand.

In dem Bekennerschreiben mit der Überschrift »Auf zur revolutionären 1. Mai-Demo« wird der Volkswirtschaftler Straubhaar als »Stichwortgeber und Wegweiser für Angriffe auf das Proletariat« kritisiert. Er feiere Ein-Euro-Jobs und trete für die Abschaffung des Kündigungsschutzes ein. In der Tat können ihm der Sozialabbau und die Deregulierung meist nicht weit genug gehen. »Beim Arbeitsmarkt ist aus meiner Sicht unverzichtbar, dass die Flexibilisierung weiter geht, als jetzt geplant ist«, ist eine für ihn typische Aussage. Zwar vertritt der Befürworter des freien Marktes manche Ansichten, die als liberal gelten, etwa zum Thema Migra­tion, allerdings nur insofern, als es den Wirt­schaftsinteressen Deutschlands nützt.

In Hamburg hat es in den vergangenen Jahren wiederholt Brandanschläge gegeben, etwa im Dezember und Juli 2005 auf die Autos Werner Marnettes, des Vorstandsvorsitzenden der Norddeutschen Affinerie, des größten Kupferproduzenten Europas, und Holger Jungs, der für die Kampagne »Du bist Deutschland« mitverantwortlich ist. Zu den Aktionen bekannten sich unterschiedliche Gruppen. Alle aber nahmen Bezug auf den G 8-Gipfel, der im nächsten Jahr im mecklenburgischen Heiligendamm stattfinden soll. Die »fight 4 revolution crews« schrieben: »Die G8-Schweine planen soziale Angriffe gegen das Proletariat.«

Auf den linken Demonstrationen zum 1. Mai in Hamburg waren die Brandanschläge jedoch kaum ein Thema. Und wenn, dann hörte man wenig Positives. »Anschläge auf Privathäuser lehne ich ab, besonders wenn Kinder oder Angehörige dort wohnen«, meinte ein älterer Mann. Eine Frau kritisierte die »Personalisierung von Kapitalismuskritik«: »Es gibt nicht die Schweine da oben und das kämpfende Proletariat da unten.«

Deutlich besser kam die Aktion einiger als »Superhelden« Kostümierter an, die am Freitag vor dem 1. Mai in einen teuren Supermarkt eindrangen, teure Produkte entwendeten und sie anschließend an Personen in prekären Arbeits­verhältnissen verteilten. In ihrer Erklärung hieß es: »Wir sind Santa Guevara, Spider Mum, Operaistorix und Multiflex. Wir sind prekäre Superhelden (...) Ob als vollvernetzte Dauerpraktikantin, Callcenterangel, aufenthaltslose Putzfrau oder ausbildungsplatzloser Ein-Euro-Jobber: Ohne die Fähigkeiten von Superhelden ist ein Überleben in der Stadt der Millionäre nicht möglich.« Auf dem Euro-Mayday trugen viele Buttons, auf denen die Superhelden abgebildet waren.