Ein Blau tut’s auch

In Frankreich konkurrieren der Front National und die Rechtskatholiken von der Bewegung für Frankreich um die Vorherrschaft im rechtsextremen Spektrum. von bernhard schmid, paris

Der eine sitzt auf einem hölzernen Pferd, in Kreuzritterrüstung und mit einem Säbel in der Hand. Der andere, mit einem gallischen oder germanischen Fellumhang, reitet auf einer Wildsau und schwingt dabei eine Barbarenkeule. So stellt ein Karikaturist der Satirezeitschrift Charlie Hebdo die beiden Vorsitzenden rechtsextremer Parteien Frankreichs dar: Jean-Marie Le Pen, den Vorsitzenden des Front National (FN), als Keulenschwinger und den Grafen Philippe de Villiers vom Mouvement pour la France (MPF, Bewegung für Frankreich) als Kreuzritter. Charlie Hebdo widmete ihnen Mitte Mai eine Doppelseite, das Thema lautete: »Das Vokabular der extremen Rechten: eine vergleichende Studie.«

Seit einigen Monaten liefern sich die beiden Po­litiker einen heftigen Wettbewerb um die Vorherrschaft im rechtsextremen Spektrum. Nach Angaben von Guillaume Peltier, dem 30jährigen Generalsekretär des rechtskatholischen MPF, der von 1998 bis 2001 selbst der Jugendorganisation des Front Na­tional angehörte, sind 3 000 ehemalige Mitglieder und Funktionäre der Partei von Le Pen zu Philippe de Villiers übergelaufen.

Im März kam es sogar zu einem Prozess zwischen den beiden Parteien, den der Front National in Paris angestrengt hatte, um die Konkurrenz vom MPF wegen eines Plagiats seiner Internetseite anzuklagen. Die beiden Seiten waren fast identisch aufgebaut, bis hin zur Benutzung desselben Farbtons und desselben Schrifttyps. »Es gibt 5 000 Blautöne, aber es ist just das Blau des Front National, das vom MPF benutzt wird«, tobte Le Pens Rechtsanwalt Wallerand de Saint-Just. Dennoch wurde der MPF freigesprochen, da kein Plagiat vorliege. Denn der Gestalter beider Internetseiten war Romain Létang. Nachdem er die Homepage des Front National entworfen hatte, lief er selbst zu den Rechtskatholiken über. Also durfte er auch, rein rechtlich betrachtet, sein »geistiges und künstlerisches Eigentum« mitnehmen.

De Villiers hat den Abtrünnigen des Front Natio­nal offensichtlich mehr Perspektiven zu bieten. Wäh­rend Jean-Marie Le Pen sich selbst als »außerhalb des Systems« stehend bezeichnet, hat der Graf durchaus noch seinen Platz am Rande des politischen Establishments. So führt er nach wie vor die Bezirksregierung in der Vendée, einer westfranzösischen Region, die sich seit der katholisch-konterrevolutionären Erhebung gegen die junge französische Republik von 1793 stets rechte Politiktraditionen bewahrt hat.

Am 11. April dieses Jahres bot Le Pen Philippe de Villiers zum ersten Mal offen ein Bündnis an. Der Vorschlag des Vorsitzenden des Front National sah eine »Einheitskandidatur der Patrioten« vor. Le Pen sollte bei den kommenden Präsidentschafts­wahlen im April 2007 kandidieren, und ein Wahlbündnis oder eine Listenverbindung sollte bei den Parlamentswahlen einige Wochen darauf antreten. Während seiner Rede auf einer Kundgebung zum 1. Mai erneuerte er das Angebot. Gleichzeitig aber kritisierte er de Villiers heftig als »Duplikator«, der ihn nur ständig kopiere.

De Villiers hatte das Angebot bereits am 13. April ausgeschlagen. Er sagte, eine Allianz setze voraus, dass man sich erst einmal »über gemeinsame Ideen« einig werde. In diesem Punkt aber habe er Bedenken. Es ging ihm nicht um die rassistischen Vorstellungen Le Pens, sondern darum, dass dieser »für das Recht des Iran auf die Atombombe« eingetreten sei. Zwar hatte sich Le Pen nicht direkt in diesem Sinne geäußert; in seiner Ansprache vom 1. Mai dementierte er diese Ansicht gar. In der Märzausgabe von Français d’abord, der Mitgliederzeitschrift des Front National, aber hatte er gefragt: »Warum wirft man Ahmadinejad vor, was man anderen vor ihm nicht vorgeworfen hat? Man hat nicht Krieg gegen Indien, Pakistan oder Israel geführt, als diese Länder militärische Atomtechnologie erworben haben.«

Ähnliche Meinungen vertritt Le Pen seit dem Beginn der Golfkrise im August 1990. Damals vollzog er einen Bruch mit der tradi­tionellen pro-atlantischen, antikommunistisch begründeten Doktrin des Front National in Fragen der Weltpolitik. Nach dem Ende des Kalten Krieges und der »kommunistischen Bedrohung« gelte es, den liberalen Kapitalismus zum neuen Hauptfeind zu erwählen und sich vom US-Imperium abzugrenzen, meinte er damals.

In seinem Beitrag für Français d’abord warnte er, die USA wollten die Welt auf einen Krieg gegen den Iran vorbereiten. De Villiers nutzte diese Äußerung als Vorlage, um sich selbst zu profilieren: »Ich möchte die Banlieues entwaffnen, und Le Pen möchte die Bärtigen bewaffnen«, stellte er einen gewagten Zusammenhang zwischen der französischen Innenpolitik und den internationalen Ereignissen her.

Beide Politiker sehen sich gestärkt, seit die bürgerlich-konservative Regierung eine Niederlage im Konflikt um den so genannten Ersteinstellungsvertrag (CPE) einstecken musste. Sie kritisierten in markigen Worten die Schwäche des Staates, der auf seinem Anspruch auf Autori­tät hätte beharren müssen und nicht hätte nach­geben dürfen. De Villiers sprach vom »Kapitulan­tentum« von Innenminister Nicolas Sarkozy, »der Frankreich im Fernsehstudio reformiert, aber kneift, sobald ihm der erste Pflasterstein um die Ohren pfeift«.

Le Pen mokierte sich in seiner Ansprache zum 1. Mai darüber, dass »Schulkinder die Regierung zum Nachgeben zwingen«. Erstmals seit dem Beginn des Konflikts um den CPE kritisierte er bei dieser Gelegenheit allerdings auch die Deregulierung im Arbeitsrecht, die im Interesse »multina­tionaler Konzerne« betrieben werde, während er zugleich die Wertarbeit französischer Unternehmer und Mittelständler verteidigte.

Zumindest mit den Jugendlichen dürften es sich die beiden rechtsextremen Populisten verscherzt haben. Der Front National etwa sank in den Umfragen im März in der Altersgruppe der 18- bis 24jährigen von zehn auf sieben Prozent der Stimmen. Aber unter denjenigen, die das Geschehen lediglich vor ihrem Fernseher verfolgten und dort vor allem die »Gewalt« der Demonstrierenden und die Ausschreitungen gezeigt bekamen, könnten sie an Zustimmung gewonnen haben.