Hausaufgabe: ­Reformieren!

EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien von jutta sommerbauer

An einer großen Uhr am Batenbergplatz in Sofia ist die Zeit bis zum Beitritt abzulesen. 221 Tage sind es noch bis zum 1. Januar 2007 – dann sollen Bulgarien und Rumänien Mitglieder der Europäischen Union sein.

Dass diese Uhr richtig ticken könnte, haben viele Bulgaren zuletzt nicht mehr geglaubt. Vor der Veröffentlichung des Zwischenberichts der EU-Kommission wurde in den bulgarischen Medien über verschiedene Alternativen zum Beitritt disku­tiert. Vom »schlimmsten Fall« einer einjährigen Verschiebung durch Anwendung der berüchtigten Sperrklausel oder von einem Beitritt mit eingeschränkten Rech­ten war die Rede. Der Bericht der EU hätte schlim­mer ausfallen können, hieß es in den meisten bulgarischen Medien dann nach dessen Ver­öffentlichung. Die Entscheidung, ob Bulgarien und Rumänien Anfang 2007 oder erst ein Jahr später Mitglieder der EU werden sollen, wurde zwar auf den Herbst vertagt, eine Empfehlung des Beitritts der beiden Länder ist aber sehr wahrscheinlich.

In Rumänien fühlt man sich einigerma­ßen gerecht beurteilt. In der Vergangenheit hatte man oft genug das Gefühl, im Vergleich zu Bul­garien von der EU ungerecht und zu streng behandelt zu werden. Die Stimmung in Bul­garien ist dagegen etwas gedrückt. Für die EU-Kommission hat das Land in sechs Bereichen noch Aufgaben zu erfüllen. In Rumänien wurden lediglich vier Gebiete angeführt, unter an­derem die Landwirtschaft und das Steuer­wesen. Die bulgarischen Probleme sind dabei weit kniffliger. Neben der Geldwäsche und der Korruption betreffen sie das Gerichtssystem und den Kampf gegen die organisierte Kriminalität.

Die meisten Bulgaren und Rumänen sehen im Beitritt noch immer das wirksamste Mittel gegen die herrschende Korruption in der eigenen politischen Klasse. Die Forderungen der EU werden sogar als hilf­reich erachtet, um diese Probleme in den Griff zu bekommen. Die bulgarische Wochenzeitung Kapital, die den Bericht als durchaus positiv bewertete, kommentier­te etwa: »Beeindruckend an der Diagnose, die von Brüssel vorgelegt wurde, ist, dass sie nicht nur ernsthafte Probleme nennt, sondern auch den fehlenden politischen Willen der bulgarischen Politiker thema­tisiert.«

Im Falle Bulgariens und Rumäniens, die wegen wirtschaftlicher und politischer Probleme an der ersten Runde der EU-Osterweite­rung im Jahr 2004 nicht teilgenommen haben, scheint die Union mitt­lerweile ihr eins­tiges Versprechen eines Beitritts zu einem fixen Datum zu bereuen. Der Beitritt der beiden Länder wurde grundsätzlich bereits im Dezember 2004 beschlossen. Doch schon damals bestanden Zweifel daran, ob sie rechtzeitig bis Ende 2006 die Ansprüche der EU erfüllen würden. Die Union fügte deshalb eine Klausel an, nach der es möglich ist, dass die Mitgliedstaaten den Beitritt um ein Jahr verschieben. Bis zum Herbst fordert sie nun einen verstärkten »politischen Willen« der beiden Länder. An der Entscheidung, sie aufzunehmen, wird sich wohl nichts ändern.

Dennoch zeigt der Bericht der EU-Kommission, dass bei zukünftigen Erweiterun­gen, etwa bei einem möglichen Beitritt des Westbalkans oder der Türkei, ein anderes Vorgehen zu erwarten ist. Die Zeit der fröhlichen Vereinigung Europas ist vorbei. Die EU ist auf dem Weg, Alternativen zur Vollmitgliedschaft zu suchen. Mit Bulgarien und Rumänien machte sie einen ersten Versuch.