Spaltbares Material

In der Wasg geht es turbulent zu. Immer mehr Gruppen, die gegen die Politik der Linkspartei und die Fusion sind, spalten sich ab. von markus ströhlein

Sind Sie aus Berlin? Tragen Sie sich mit dem Gedanken, in eine sozialdemokra­tische Partei einzutreten? Herzlichen Glückwunsch! Es steht Ihnen eine nie da gewesene Auswahl zur Verfügung. Sie können Mitglied in der SPD oder der Linkspartei werden. Missbilligen Sie die Arbeit des Berliner Senats, finden aber die Vorstellung einer Fusion der Linkspartei mit der Wasg auf Bundesebene viel versprechend, so beantragen Sie bei letzterer einen Mitgliedsausweis. Sind Sie jedoch so verärgert über die Berliner Links­partei, dass Ihnen die Opposition zu ihr wich­tiger ist als eine vereinte deutsche Linke, gibt es auch für Sie neuerdings eine politische Hei­mat.

Sie nennt sich Wasb. Das Kürzel steht für die »Wahlalternative soziales Berlin«. Gegründet wurde die Partei Mitte der vergangenen Woche, und ihr Vorsitzender heißt Birger Scholz. Der Verwaltungswirt ist Mitbegründer der Initia­tive Berliner Bankenskandal. Er war bei Attac tätig. Das Wahlprogramm der Berliner Wasg hat er mitverfasst.

Dass dieses Programm höchstwahrscheinlich nicht zur Wahl stehen wird, ist der Anlass für die Neugründung. Am vorletzten Sonntag hat der Bundesvorstand der Wasg den Berliner Lan­desvorstand abgesetzt, um zu verhindern, dass die Landespartei zu den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Herbst in Konkurrenz zur Links­partei antritt. Der anstelle des Landesvorstands eingesetzte Beauftragte Hüse­yin Aydin, der der Linksfraktion im Bundestag angehört, zog die Wahlanzeige der Berliner Wasg umgehend zurück.

Die Entmachtung will sich der Berliner Landesvorstand nicht bieten lassen. Beinahe einstimmig sprachen die Anwesenden auf einem Son­derparteitag in der vergangenen Woche dem abgesetzten Vorstand das Vertrauen aus und bestätigten den Wahlantritt. Am Donnerstag dieser Woche wird der Streit vor dem Bundes­schieds­gericht der Wasg verhandelt. Sollte das Schiedsgericht dem Bundesvorstand Recht geben, wollen die Berliner die Angelegenheit vor ein öffentliches Gericht bringen.

Die Hoffnung der vorerst verhinderten Spitzenkandidatin der Berliner Wasg, Lucy Redler, und ihrer Anhänger, erfolgreich aus diesem Streit hervorzugehen, teilt die Gruppierung um Birger Scholz nicht. Denn auf dem Bundes­parteitag Ende April hat sich eine knappe Mehr­­heit der Delegierten für die Möglichkeit administrativer Maßnahmen gegen die aufsässigen Landesverbände in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ausgesprochen.

In ihrem Gründungsbeschluss beurteilt die Wasb die Lage in Berlin so: »Die Hauptstadt-Wasg wurde von ihrem Bundesvorstand kalt gestellt. Damit ist die Wasb die einzige Partei in Berlin, die sich konsequent gegen Privatisierungen, Sozialabbau, Absenkungstarifverträge und Arbeitsplatzvernichtung wehrt und zu den Abgeordnetenhaus-Wahlen am 17. September antritt.«

Dass es in Berlin eine weitere Partei gibt, die in ihrem Namen die Versatzstücke »Alternative« und »sozial« trägt, dürfte die Oberen in der Wasg kaum stören. Im Gegenteil: Etliche Stimmen aus der Linkspartei und der Wasg haben den Kritikern des rot-roten Senats in Berlin nahe gelegt, doch einfach unter einem anderen Namen zur Wahl anzutreten. Besonders Axel Troost, Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstands der Wasg und finanzpolitischer Sprecher der Links­fraktion im Bundestag, hat auf diese Lösung gedrängt.

Eine Reaktion auf die Neugründung kam deshalb auch nicht von der Partei­führung der Wasg. Lucy Redler meldete sich in einer Stellungnahme zu Wort: »Ich kann die Sorge der Kolleginnen um Birger ­Scholz nachvollziehen, die mit der Gründung einer Wasb sicher stellen wollen, dass es eine soziale Opposition auch im Wahlkampf zum 17. September gibt.« Doch das Ver­ständnis hat natürlich Grenzen. Sollte die neue Partei genug Anziehungskraft für die Gegner des rot-roten Senats in der Wasg gewinnen, stünde Redler ziemlich verlassen da. Deshalb bat sie in ihrer Erklärung: »Bleibt in der Wasg, werdet Mitglied und aktiv in der Wasg und helft uns, unseren Kampf fortzusetzen.« Sollte es zu vermehrten Übertritten kommen, kann Redler ja auch einfach ihre eigene Partei gründen.

Wenigstens die Namensfindung dürfte sich recht leicht gestalten. Das zeigt nicht nur das Berliner Beispiel. Auch eine Abspaltung der Wasg in Sachsen-Anhalt hat lediglich einen Buchstaben ausgetauscht. Seit vergangener Woche gibt es dort die Basg, die »Basisorientierte Arbeit und soziale Gerechtigkeit – die Alternative«. Sie rekrutiert sich aus ehemaligen Mitgliedern der Wasg, welche die Fusion mit der Linkspartei ablehnen, und möchte schon im kommenden Jahr zu den Kommunalwahlen antreten. Zum Vorsitzenden wählten die etwa 50 Parteigründer den Zeitsoldaten Christian Sebastian, der vorher den Posten des Landesschatzmeisters der Wasg innehatte. Deren Landesvorsitzende Dolores Rente bewertet die Gründung als »Trotzreaktion« und sieht sie nicht als Konkurrenz.

Ähnlich gelassen gibt sich auch Volker Schneider, der nach der Absetzung des Landesvorstands der Wasg in Mecklenburg-Vorpommern als Beauftragter eingesetzt worden ist. Er hat wie sein Kollege Hüseyin Aydin in Berlin die Wahlanzeige zurückgezogen. Nun wartet er die Entscheidung des Bundesschiedsgerichts ab, das am Donnerstag auch über die Klage der abgesetzten Par­teiführung aus Mecklenburg-Vorpommern berät. Der Jungle World sagte er: »Ich bin mir äußerst sicher, dass das Schiedsgericht die Absetzung für rechtmäßig erklärt. Unse­re Rechtsabteilung hat das bereits geprüft.« Derart zuversichtlich macht er sich auch keine Sorgen um das Ansehen der Wasg, die der Sender N-TV angesichts der Quere­len als »Lachnummer« bezeichnet hat: »Klar nervt das Durcheinander die Leute. Aber ihnen wird klar, dass sich hier das neue Pro­jekt einer großen linken Partei anbahnt. Für uns wäre es viel unangenehmer, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstünde, die Fusion sei gefährdet.«

Dass sich die Führung der Partei auf Bundesebene in der stärkeren Position befindet, muss auch die Gegenseite zugeben. Karsten Dörre, ein Mitglied des abgesetzten Landesvorstands in Mecklenburg-Vorpommern, äußerte sich im Gespräch mit der Jungle World konsterniert: »Der Bundesvorstand hält sich an die Parteitagsbeschlüsse. Mit diesen hat er freie Hand bekommen. Er kann schalten und walten, wie er will, zumindest parteirechtlich.«

Die Konferenz, die die innerpartei­liche Opposition am vergangenen Samstag abhielt, ersparte sich Dörre: »Ich muss nicht den Weg nach Kassel suchen, um mir in Arbeitsgruppen anzuhören, was ich ohnehin schon weiß. Sich gegenseitig Mut zuzusprechen, ist mir zu wenig.«

Nach seinen Angaben hat Volker Schneider mittlerweile Verbindungen zu den loyalen Kreisverbänden in Ros­tock und Nordvorpommern aufgenommen, die »zum Bundesvorstand hochsehen wie kleine Kinder zum lieben Gott«. Spalten werde sich die Partei in Mecklenburg-Vorpommern nicht. Aber Mitglieder werde sie verlieren. Das dürfte der Bundesvorstand jedoch ebenso verschmerzen können wie die eine oder andere regionale Splittergruppe. Es scheint, als sei eine weitere Hürde auf dem Weg zur großen Einheitspartei nach Oskar Lafontaines Willen genommen.