Umverteilen nach rechts

Die Bundesregierung überlegt, die Mittel für den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu kürzen, und hat eine neue Gefahr im Blick: den Linksextremismus. von jörg kronauer

Wird ständig erweitert«, heißt es neben dem Link. Die »Chronik rechtsextremer Aktivitäten in Thüringen 2006«, die das Mobile Beratungs­team gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) auf seiner Website führt, muss alle paar Tage aktualisiert werden. Die Liste reicht bisher von der Gründung des thüringischen Landesverbandes der Jungen Nationaldemokraten am 14. Januar in Ammelstädt bis zu einer Kundgebung von Neonazis am 13. Mai in Suhl.

Auch gewalttätige Übergriffe dokumentiert sie. »Er wur­de zunächst wegen seiner Hautfarbe beschimpft, danach prügelten die Angreifer auf ihn ein«, wird von einem Angriff auf einen jungen Mann aus Südafrika am 11. März in Arnstadt berichtet. Wer immer noch die absurde These von den verwirrten Einzeltätern aufrechterhalten will, der wird von der akribisch geführten Chronik widerlegt.

Wie lange sie noch fortgeschrieben werden kann, ist nicht sicher. An rechtsextremen Umtrieben, die festgehalten zu werden verdienen, mangelt es in Thüringen nicht. Mangeln wird es aber womöglich am Geld, mit dem das Beratungsteam seine Arbeit finanziert. Das liegt am Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Dort steht zwar klar und deutlich: »Wir wollen den Kampf gegen Rechtsex­tremismus und Fremdenfeindlichkeit (…) fortführen und auf Dauer verstetigen.« Es heißt aber auch, es sei »erklärtes Ziel, (…) jede Form von Extremismus, auch von links, zu bekämpfen«. Sollte sich der Kampf gegen links auch in Haushaltsposten niederschlagen und finanziell mit dem Vorgehen gegen den Rechtsextremismus konkurrieren, dann wäre das Mobile Beratungsteam in Gefahr.

Denn dieses gäbe es nicht ohne Civitas. Civitas wiederum ist Teil des Regierungsprogramms mit dem prägnanten, wohlklingenden Namen »Jugend für Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus«. Das Programm ist ein Ergebnis des »Aufstands der Anständigen«, zu dem der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 aufgerufen hat.

Die Anständigen scheiterten kläglich, der Aufstand jedoch materialisierte sich in trockenen Zahlen im Haushalt der Bundesregierung. Civitas, Entimon und Xenos heißen die Teilprogramme, die seitdem mit staatlicher Förderung zur Durchsetzung zivilisatorischer Standards in Deutschland beitragen sollen.

Von Civitas geförderte Projekte wie das Beratungsteam sind zweifach bedroht. »Die Arbeiten zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2007 befinden sich im Anfangsstadium«, wiegelte die Bundesregierung kürzlich ab, als ihr die Linksfraktion den Haushaltstitel 686 02 in der Finanzplanung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorhielt. Daraus ging unmissverständlich hervor, dass die jährlich neun Millionen Euro, die bislang für Civitas-Projekte vorgesehen sind, bis 2007 auf zunächst sieben und ab 2008 auf sechs Millionen gesenkt werden sollten. Die Bundesregierung stellte außerdem eine grundsätzliche Neuverteilung sämtlicher Mittel gegen Rechtsextremismus in Aussicht. Es sei »erforderlich, sich Herausforderungen in anderen Bereichen zu stellen, so etwa in den Bereichen Islamis­mus und Linksextremismus«, kündigte sie an.

Heftig reagierten einige in der SPD auf die Kürzungs- und Umverteilungspläne. »Wo zum Teufel sind die denn?«, schimpfte Uwe-Karsten Heye, als ihn Spiegel Online mit der Ansicht konfrontierte, man müsse in den neuen Bundesländern auch »Linksextremisten« bekämpfen. Eine Kürzung der Geldsumme für die Programme gegen Rechtsextremismus »würde unsere Arbeit zunichte machen, die wir mühsam in Gang gesetzt haben«, warnte der ehemalige Regierungssprecher.

Vorläufig scheint die Angelegenheit tatsächlich erledigt zu sein. »Im Koalitionsausschuss ist fest­gelegt worden, dass für Entimon und Civitas auch weiterhin 19 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung gestellt werden«, bestätigt ein Sprecher des Familienministeriums der Jungle World. Von Plänen zur Neuverteilung des Geldes auf Projekte gegen Islamismus und Linksextremismus weiß er angeblich nichts.

Eine Entwarnung für die geförderten Projekte käme freilich zu früh. »Im Zuge der parlamentarischen Beratungen zum Bundeshaushalt 2007 werden dazu Entscheidungen zu treffen sein«, teilte die Bundesregierung kürzlich der Linksfraktion mit. Dabei geht es um eine ganze Menge Geld. 45 Millionen Euro wurden bislang über Entimon vergeben, 33 Millionen über Civitas. Den größten Batzen von bislang 75 Millionen Euro, die über Xenos verteilt wurden, dürften die parlamentarischen Haushaltsberatungen im Herbst allerdings kaum in Frage stellen. Xenos wird über den Europäischen Sozialfonds (ESF) aus Mitteln der EU finanziert. Der ESF unterstützt »Be­mü­hungen der Mitgliedstaaten zur Entwick­lung der Humanressourcen« in der Arbeitswelt und finanziert u.a. Projekte, die Störun­gen des Betriebsklimas durch rassistische Angriffe verhindern sollen.

Die Unionsparteien werden wohl weiter an der Neuverteilung des Geldes arbeiten, um das sie sich schon seit Jahren bemühen. Schließlich können CDU und CSU mit dem gegenwärtigen Zustand nicht zufrieden sein: Dreistellige Millionenbeträge fließen wegen ihrer inhaltlichen Festlegung so gut wie ausschließlich in sozialdemokratische und grüne Milieus und helfen zudem der SPD und den Grünen bei der Integration ihres linken Randes. Bereits im Jahr 2003 wollte daher der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer im Bundestag wissen, ob Civitas-Mitarbeiter »auf linksextremistische Tätigkeiten in der Vergangenheit überprüft« würden. Umgekehrt böte eine Umwidmung der Mittel der Union die Gelegenheit, ihren rechten Rand wieder besser einzubinden.

Wie das praktisch gehen könnte, hat im univer­sitären Milieu schon vor Jahren die der CSU nahe stehende Hanns-Seidel-Stiftung vorgemacht. Sie setzte im April 2003 den Chemnitzer Politikprofessor Eckhard Jesse als Leiter eines von ihr geförderten Promotionskollegs ein.

Das Thema des Kollegs lautete: »Politischer Extremismus und Parteien«. Es umfass­te entsprechend der von Jesse vertretenen Extremismus-Theorie Arbeiten über die NPD, aber auch über die PDS. Mindestens zwei der 18 Doktoranden, die die Stiftung förderte, hatten zuvor Kontakte zur extrem rechten Zeitung Junge Freiheit oder deren Umfeld und waren zeitweise als Mitarbeiter in der Unionsfraktion im Bundestag angestellt.

Um Personen wie sie besser in die Unionsparteien zu integrieren, wären finanziell geförderte Projekte »gegen links« sehr nützlich.