kicker-Leser wissen noch mehr

in die presse

Ist es schon schwer genug, in diesen Tagen auch nur ein paar Bockwürste zu kaufen, die nicht als »offizielle Bockwürste der deutschen Nationalmannschaft« daherkommen, kann der Blick in die Zeitung oder ins Fernsehprogramm einen vollkommen närrisch machen. Kaum etwas von dem, das da Tag für Tag gedruckt, gesagt und gesendet wird und das nicht vorgeben würde, irgendwie mit der Fifa™-WM™-2006™ verbandelt zu sein. Doch Geduld, das meiste ist bereits überstanden, und wenn das erste Spiel angepfiffen ist, erstrahlt aus all dem nichtsnutzigen Stuss ein Produkt in Schönheit und Weisheit: das kicker-Sonderheft zur Weltmeisterschaft™.

Wer es in den kommenden Wochen nicht den Mackern überlassen will, mit detailreichen, um nicht zu sagen: intimen Fachkenntnissen über den Weltfußball zu triumphieren, sollte sich das Sonderheft zulegen. Andernfalls bleibt es den Männern vorbehalten, Runden vor dem Fernseher oder der Großbildleinwand mit solchen Fachsimpeleien und Anekdoten zu dominieren: »Argentinien hat große Schwächen bei hohen Bällen, da stimmen oft die Zuordnungen nicht.« – »Ja, aber den Serben fehlt ein Spezialist für Standardsituationen!« Oder: »Dieser blutjunge Theo Walcott steht im englischen Kader, hat aber noch nie in der ersten Mannschaft von Arsenal London gespielt.« – »Trinidad & Tobago haben auch eine Geheimwaffe: Zur Delegation gehören offiziell zwei Musikbands.« Für dieses Wissen bedarf es keiner akademischen Ausbildung, man muss auch nicht Jahre in einer Fankurve verbracht haben, nicht mal jede Woche die »Sportschau« sehen. Auf handlichen, übersichtlichen 250 Seiten steht alles, was man wissen muss, plus einigem Reservewissen, dass man voraussichtlich nicht brauchen wird. Aber man will ja auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.

Auch wenn es im Heft von »absoluten Top-Spielern« nur so wimmelt, alle naselang jemand taktische Vorgaben »umsetzen« soll oder »Gas geben« will – auf sprachliche Finessen kommt es hierbei wirklich nicht an. Und gelegentlich wird sogar jemand abgewatscht, der spanische Trainer Luis Aragones etwa, der Thierry Henry einmal einen »Scheißneger« genannt hatte. Wer meint, er oder sie könne auf eine solche Faktenhuberei verzichten, wird es noch bereuen. Denn die Erfahrung besagt, dass die Macker mitnichten dazu bereit sind, ihre kicker-Hefte aus der Hand zu geben, schon deshalb nicht, weil man sonst dahinter käme, woher sie ihr Wissen beziehen: für 4,90 Euro vom Kiosk.

melis vardar