Multikulti auf Deutsch

Zum zweiten Mal soll am 10. Juni das »Fest der Völker« in Jena stattfinden. Rechtsextreme aus ganz Europa werden erwartet. von jörg kronauer

Ein wenig hapert es noch mit dem Kampf für die deutsche Kultur. »Für die Europe von ­Vaterländer!« fordert unbarmherzig die Europäische Nationalistische Front (ENF), ein Zusammenschluss fünf neofaschistischer Parteien aus fünf europäischen Staaten. Wie lange wird sich die NPD einen solchen Umgang mit ihrer ­geliebten deutschen Sprache noch bieten lassen? Die Partei rangiert bei der ENF als zweite unter deren »Gliederschaften« (gemeint sind wohl Mitgliedsorganisationen) und nimmt an dem Versuch der Organisation teil, rechtsextreme Bündnisse auf dem gesamten Kontinent zu schließen. Aber »Europe von Vaterländer« – das lässt akuten Schulungsbedarf erkennen und erfordert dringend Lernaufenthalte des europäischen neofaschistischen Nachwuchses in Deutschland.

Die nächste Gelegenheit, den italienischen, slowakischen oder britischen Kameraden den korrekten Gebrauch der deutschen Sprache zu vermitteln, bietet sich der NPD am 10. Juni. An diesem Tag soll in Jena zum zweiten Mal das »Fest der Völker« stattfinden, ein Rechtsrock-Festival mit Redebeiträgen rechtsextremer Politfunktionäre aus zwölf europäischen Staaten. Die Veranstaltung wird wie bereits im vergangenen Jahr federführend von Kadern der NPD organisiert und soll helfen, internationale Netzwerke wie die ENF aufzubauen und zu stabilisieren. So verbinden die Parteistrategen mit Hilfe von Bands aus dem Milieu von »Blood and Honour« und den Hammerskins die musikalische Basisarbeit mit europaweiter Kontaktpflege.

An europäischen Netzwerken arbeitet die NPD bereits seit geraumer Zeit. Triumphierend gab sie etwa Ende 2004 die Vereinbarung einer Koopera­tion mit der spanischen Franquisten-Partei La Falange bekannt. Das Abkommen sei »ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gründung einer gemeinsamen europäischen Wahlplattform für Europawahlen«, meinte die Parteizeitung Deutsche Stimme damals euphorisch. Von ihm gehe »eine Signalwirkung an andere europäische Nationalisten aus, sich der Achse Madrid-Berlin anzuschließen«. Dies haben im Rahmen der ENF inzwischen Parteien aus Italien, Rumänien und Griechenland getan, assoziiert sind Organisationen aus den Niederlanden, Frankreich, Portugal und Bulgarien.

Neben der ENF klinkt sich die NPD auch in andere Netzwerke der extremen europäi­schen Rechten ein. »Europa der Völker« lautete das Thema eines internationalen Kongresses in Rom, zu dem die NPD kürzlich Andreas Molau entsandte, den stellvertretenden Chefredakteur der Deutschen Stimme. Auf der Tagung spekulierte der Vorsitzende des Kasseler Thule-Seminars, Pierre Krebs, über »Strategien einer europäischen Neubesinnung«. Er sagte u.a.: »Wir wissen, dass die 4 000jährige europäische Kultur in einem einzigen Volk wurzelt.« Europa ähnele »einem Kopf mit germanischen, keltischen, romanischen, slawischen Gesichtern«, die »gemeinsame anthropologische Herkunft« erklärte er zur Basis eines künftigen »europäischen Reiches«. Dessen Feinde, die »Kin­der aller Jerusalems« und ihre »ewigen Cow­boys«, zögen Nutzen aus dem »ethnischen Suizid« Europas. Der Kontinent erlebe derzeit den entscheidenden Kampf »zwischen Ethnosuizid und Ethnobewusstsein, zwischen Rassenvernichtern und Ethnokraten«.

An diesem herbeihalluzinierten »Kampf« wollen sich die Organisatoren des Jenaer Festivals beteiligen. Sie beklagen »Masseneinwanderung, Entwurzelung und Amerika­nisierung« und eine dadurch bedingte »Zerstörung der Völker Europas«. »Doch hier steht eine neue Jugend, die den Geist des alten Europa in sich trägt«, schreiben sie in einem Aufruf für das »Fest der Völker« und verbinden den völkischen Europa-Gedanken von Pierre Krebs mit völkischer Kritik an der Modernisierung: »Wir setzen an Stelle der volksfremden und raumlosen kapitalistischen Ideologie auf souveräne Nationalstaaten, die mit raumorientierten nationalen Volkswirtschaften auf ein Europa der Vaterländer (…) bauen.« Entsprechend schließt der Aufruf: »Für Deutschland, für Europa!«

Neben Rechtsrock und völkischen Europa-Phrasen versprechen in Jena vor allem Informa­tions­stände knisternde Spannung. Angekündigt sind unter anderem der Mädelring Thüringen, die Kameradschaft Eisenach und die Motorrad-Division Schweiz. Die eidgenössischen Biker etwa können als Experten für die harmonische Lösung ver­einsinterner Streitigkeiten gelten. Sie haben nach gewissen Verstimmungen ganz einfach dafür gesorgt, dass »nicht mehr ein aus mehreren Personen bestehender Vorstand, sondern der Präsident das alleinige Entscheidungsrecht in allen Belangen be­sitzt«. Seitdem flutscht es wieder: »Ab heute gilt die ›alte Schule‹. Wer nicht spurt, wird schnell mer­ken, was das bedeutet.«

Die »alte Schule« könnte auch Mario Machado vom portugiesischen »Frente Nacional« für sich in Anspruch nehmen, der in Jena als Redner angekündigt ist. Der 10. Juni 2006 ist für ihn ein besonderes Jubiläum: Exakt elf Jahre zuvor war er in Lissabon an einem Überfall auf Schwarze beteiligt, bei dem Naziskins einen Dunkelhäutigen zu Tode prügelten. Machado wurde dafür zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Anfang April hat er für die Fußball-WM »Probleme mit den Fans« angekündigt und durchblicken lassen, dass er rund 15 Kameraden nach Jena mitbringen will. Seine Reisepläne für den folgenden Sonntag sind unbekannt; an diesem Tag spielt Portugal in Köln gegen seine frühere Kolonie Angola.

Zahlreiche Antifa-Organisationen aber wollen sich die »alte Schule« in Thüringen nicht länger bieten lassen und laden für den 10. Juni zum »Völ­kerball« nach Jena ein. Das lässt hoffen – für Europa. Denn tatsächlich geben die Veranstalter des »Festes der Völker« in ihrem Aufruf offen zu: »Europa wird leben oder mit uns untergehen!« Selbst sie wollen offenbar nicht mehr bestreiten, dass der Kontinent mit ihnen dem Untergang geweiht ist.