Ein Mann der großen Worte

Kosovo-Verwalter tritt zurück von boris kanzleiter

»Phantastisch«, »großartig« und »bahnbrechend« waren seine Lieblingsvokabeln. Keine Pressekonferenz verging, ohne dass Sören Jessen-Petersen, der Verwalter der UN-Mis­sion in Kosovo, ins Schwärmen kam. Ganz im Gegensatz dazu stand sein stiller Abgang. Er wolle sich jetzt um seine Familie kümmern, gab der Däne in der vergangenen Woche in Pristina bekannt. »Ich bin mir bewußt, dass ich das Kosovo in einem sehr wichtigen Moment seiner Geschichte verlasse«, sagte er noch.

Warum er ausgerechnet am Beginn der entscheidenden Phase der Verhandlungen um den künftigen völkerrechtlichen Status der Provinz zurücktrat, ist nun Gegenstand vieler Spekulationen. Wohlgesonnene Beobachter meinen, Jessen-Petersen sehne sich nach zwei Jahren in seinem anstrengenden Job einfach nach Ruhe. So richtig kann das aber niemand glauben. Denn folgt man Jessen-Petersens optimistischen Reden, steht der Kosovo kurz vor dem glücklichen Abschluss der Statusverhand­lungen und wird spätestens zu Beginn nächsten Jahres ein unabhängiger Staat sein, den eine freudestrahlende Zukunft erwartet. Warum hätte sich der Verwalter der UN-Mission also um die Früchte seiner Anstrengungen bringen sollen? Nach einer Unabhängigkeitserklärung wäre er in Pristina gefeiert worden wie kein anderer internationaler Politiker außer vielleicht seinerzeit Bill Clinton nach dem Bombardement Serbiens durch die Nato im Jahr 1999.

Wahrscheinlich ist daher etwas anderes. Jessen-Petersen wurde mit der Zeit zum Ballast für die »internationale Gemeinschaft«. Seine konsequente Politik, die ehemaligen Anführer der albanischen Untergrundarmee UCK, Ramush Haradinaj, Agim Ceku und Hasim Thaci, in die zentralen Entscheidungspo­sitionen im Kosovo zu bringen, wurde zwar von der UN, der Nato und der Europäischen Union generell unterstützt. Durch die Einbindung der »Kriegshelden« verspricht sich die »internationale Gemeinschaft« Stabilität.

Andererseits bringt diese Politik auch Probleme mit sich. Mit den Kommandanten der UCK wurden auch die mit ihnen verbundenen Netzwerke der organisierten Kriminalität gestärkt. Die Straffreiheit für Kriegsverbrecher – wenn sie der albanischen Seite zugehören – wurde faktisch zum Prinzip erhoben. Und vor allem: Die serbische Minderheit kann, wenn die Führer der UCK an der Spitze der Institu­tionen im Kosovo stehen, auch mit noch so vielen Versprechungen nicht zu einer Mitarbeit in der Übergangsverwaltung überredet werden.

Der Machtzuwachs der UCK unter der Verwaltung von Jessen-Petersen ist daher gefährlich. Auch wenn nach offiziellen Äußerungen die Verhandlungen über den Status des Kosovo ohnehin bereits gescheitert sind, bevor sie richtig begonnen haben. Der Graben zwischen den Serben und den Kosovo--Albanern ist so tief wie niemals zuvor seit 1999. Im Norden des Kosovos bauen die serbischen Gemeindeverwaltungen seit zwei Wochen offiziell eigen­ständige »Selbstverteidigungsmilizen« auf. Und die bedrängten Serben in den südlichen Enklaven bereiten sich auf einen Exodus vor. Nicht umsonst hat das UN-Flüchtlingshilfswerk Zelte für 60 000 serbische Flüchtlinge bestellt, während die Kfor ihre Stützpunkte an der serbischen Grenze verstärkt.

Jessen-Petersens Rücktritt entspricht in dieser Situation den Interessen der Unmik. Die Kosovo-Mission benötigt dringend ein anderes Gesicht, um der neuen Situation gerecht zu werden.