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Schöner neuer Film

Gerichtsurteil. »Pulp Fiction« ohne Gewalt, Kate Winslet in »Titanic« garantiert immer züchtig angezogen – das ist die schöne heile Kinowelt, wie sie sich die amerikanische Firma CleanFlicks vorstellt. In den prüden USA, wo der christliche Fundamentalismus sich wie ein Virus verbreitet, ist die Geschäftsidee von CleanFlicks enorm erfolgreich. Die Firma kaufte Filme auf, säuberte sie von allen Gewaltszenen, entfernte jedes »fuck« und alle blanken Brüste und verkaufte die verstümmelten Videoversionen in eigenen Läden weiter. Auch Fernsehsender und Fluglinien waren Kunden.

Nun wurde dem Vorgehen der Firma ein Riegel vorgeschoben. Gerichtlich wurde festgestellt, dass CleanFlicks »der künstlerischen kreativen Ausdruckskraft in den mit Copyright versehenen Filmen schweren Schaden« zugefügt habe. Die Firma wurde gleichzeitig aufgefordert, ihre manipulative Tätigkeit einzustellen.

Vorausgegangen war dem Richterspruch eine Klage verschiedener Hollywood-Regisseure wie Robert Redford, Robert Altman, Sydney Pollack, Martin Scorsese und Steven Soderbergh, die es nicht länger hinnehmen wollten, dass ihre künstlerischen Arbeiten im Namen kruder Moralvorstellungen beschnitten wurden.

Vielleicht dient der Fall CleanFlicks dazu, das Problem mit der Filmzensur an sich anzugehen. CleanFlicks argumentierte mit Konsumentenschutz, damit, Filme allgemeinverträglicher machen zu wollen. Doch wie steht es wirklich um uns Konsumenten? Wollen wir tatsächlich all diese schlimmen DVDs sehen, auf denen uns so mancher Horrorklassiker verstümmelt und freigegeben ab 16 Jahren zugemutet wird? Wer zensiert endlich die Filmzensur? (aha)

Eigentlich fehlerfrei

Bild. Bild hat eine Korrekturspalte wieder eingeführt, die sie selbst mit der Berufung Kai Diekmanns zum Chef des Blattes abgeschafft hatte. Auf Seite 2 wird ab sofort berichtigt, was Bild an Falschmeldungen verbreitet hat. So die Idee. Hat Bild so etwas wirklich nötig? Wer so penibel recherchiert wie dieses Qualitätsblatt und so sehr auf seriösen Journalismus Wert legt, der braucht keine Korrekturspalte, der druckt einfach eine Gegendarstellung aufs Titel­blatt. (aha)

Gebrauche deinen Kopf!

Zidane. Was von der Fußballweltmeisterschaft wirklich bleiben wird? Die Deutschlandfahnen ja wohl nicht, die sind jetzt schon wieder abgehängt. Der spitzenmäßige neue deutsche Offensivfußball vielleicht auch nicht, Klinsi macht ja lieber wieder Urlaub in Kalifornien. Nein, was wirklich bleiben wird von dieser WM, an was man sich erinnern wird, das dürfte der schon jetzt berühmte Kopfstoß Zinedine Zidanes gegen seinen italienischen Widersacher Marco Materazzi im Endspiel sein. Auch in einem halben Jahr wird man weniger über Ronaldinhos Dauerlächeln, Maradonas bizarre Fanauftritte und Oliver Kahns Zettel für Jens Lehmann vor dem Elf­meterschießen gegen Argentinien diskutieren als über Zidane und die Art, wie er Materazzi niederstreckte.

Derzeit kursiert bereits eine Reihe von Computerspielen und Kurzfilmchen, die Zidanes Kopfstoß zum Thema haben. Bei einem der Spiele besteht die Aufgabe darin, einen kopfstoßenden Zidane eine ganze Armada von Materazzis niederstrecken zu lassen. In dem österreichischen Film »A New Way To Solve Problems« löst man Probleme eben ganz zidanisch: Kopfstoß und fertig. So fragt ein Tourist einen Radfahrer nach dem Weg. Der weiß keinen Rat, worauf der Tourist fragt: »Du kannst mir nicht helfen?«, und schon bekommt der Radfahrer einen Kopfstoß ab.

Ebenfalls ein Hit im Internet ist eine mit Rapmusik unterlegte Collage mit den gemeinsten Fouls aus der Karriere von Zidane, den Paul Breitner Stunden nach dem Finalausrutscher einen »ganz linken Hund« nannte. Der Berliner Tagesspiegel orakelt gar, dass der Song »Coup de Boule«, der gerade seine Kreise zieht und der mit dem Refrain »Zidane, il a tapé« (übersetzt ungefähr: Zidane, er hat dich geschlagen) aufwartet, gerade dabei ist, ein Sommerhit zu werden. (aha)

Einmalig: die Achtziger

Tempo. Seltsame Dinge ereignen sich gerade auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt. Da erschien bei Springer bis vor kurzem noch ein Magazin wie »Der Freund«, ohne Werbung, ohne klare Zielgruppe und ohne wirklichen Erfolg am Kiosk. Und der Springer-Verlag tat dennoch so, als sei er stolz auf sein Produkt.

Doch es wird noch kurioser. Man weiß nicht so recht, ob es an der anhaltenden Aufarbeitung der achtziger Jahre liegt, jedenfalls wird Tempo, die deutsche Zeitschrift für den Zeitgeist der Achtziger schlechthin, das Zentralorgan des damaligen Popjournalismus, wiederauferstehen. Im November dieses Jahres soll es soweit sein: Tempo wird wieder am Kiosk erhältlich sein. Allerdings nur für eine einzige Ausgabe. Etwas mehr als zehn Jahre nach dem eigentlichen Ende von Tempo soll diese Sonderausgabe Wiederauferstehung und endgültiges Finale der Zeitschrift gleichzeitig markieren.

Markus Peichl, Miterfinder und Chefredakteur von Tempo, der heute Redaktionsleiter der Sendung »Beckmann« ist, wird die Wiedergeburt mit kurzer Lebenserwartung erneut betreuen. 250 000 Exemplare sollen gedruckt werden, beteiligt werden sollen alte Tempo-Schreiber von damals, aber auch jüngere Journalisten, »die heute für Tempo schreiben würden, wen es so ein Blatt noch gäbe«, meint Peichl.

Man wolle, sagt er, den Geist von Tempo wieder heraufbeschwören, ohne in Nostalgie zu verfallen. Dabei hält sich der Phantomschmerz über den Verlust von Tempo eigentlich in Grenzen. Auch dank der Berliner Zeitschrift Dummy hat sich inzwischen ein Magazin im Geist des großen Vorbilds etabliert, das die Sehnsucht nach dem Original doch ziemlich relativiert hat. (aha)