Politisches Blind Date

George W. Bush in Stralsund von richard gebhardt

Small Talk und Barbecue mit verkohlten Wildschweinen, eine kurze Pressekonferenz und herzliche Umarmungen zwischen zwei Regierungschefs des »freien Westens« – die Journalisten in Stralsund hatten viel vom persönlichen, wenig vom politischen Verhältnis zwischen George W. Bush und Angela Merkel zu berichten. Während des Besuchs Bushs im Wahlbezirk von Merkel richtete er nur ein paar mahnende Worte an den Iran und bekräftigte seine Unterstützung der israelischen Militäreinsätze im Libanon.

Zweck des Besuchs sei es gewesen, »sich persönlich besser kennen zu lernen: Wo komme ich her, was sind meine Beweggründe?« sagte die Kanzlerin Spiegel-online. Das klang, als hätte die Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern mit dem »bislang größten Einsatz ihrer Geschichte« (Polizeidirektor Knut Abramowski) ein 20 Millionen Euro teures Blind Date abgesichert.

Bushs Besuch in Deutschland vor dem G 8-Gipfel in St. Petersburg ist jenseits der Belanglosigkeiten des Protokolls ein Zeichen für die Behebung der transatlantischen Störungen. »Tauwetter« lautet die gängige Vokabel für den Zustand der noch im Jahre 2002 von Condoleezza Rice als »vergiftet« bezeichneten deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Und Bushs Interesse für Merkels philosophy ist ein genuin politisches. Der DDR-Lebenslauf der Kanzlerin, ihre Zeit unter der von Bush so genannten »eisernen Faust des Kommunismus«, macht sie zur Kronzeugin in seinem Kampf für das, was er als »Freiheit« bezeichnet. Der Präsident und die Kanzlerin priesen vehement die Werte der »freien Welt«, während die Ordnungskräfte draußen 21 meinungsfreudige Greenpeace-Aktivisten in Gewahrsam nahmen. Umjubelt wurde Bush von einer handverlesenen Schar christdemokra­tischer Cheerleader, die tatkräftig von auserwählten Marinesoldaten unterstützt wurden. Doch der inszenierte Applaus dürfte den texanischen Präsidenten ebenso wenig gestört haben wie die Absage des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff (SPD), der sein Fehlen beim geselligen Teil hochpolitisch mit »Termingründen« entschuldigte. Man hatte Ringstorff, der gerade für den Besuch seines Bundeslandes während des G 8-Gipfels im Sommer 2007 wirbt, erst tags zuvor eingeladen.

Ausdrücklich verteidigte der frühere Kanzler Gerhard Schröder (Gazprom) die Demonstrationen gegen den Besuch Bushs und unterstützte so die mecklenburg-vorpommersche Regierung. Die Kontroverse um die Reserviertheit einiger Mitglieder der Landesregierung, die wie der stellvertretende Ministerpräsident Wolfgang Methling (Linkspartei) an den Demonstrationen gegen Bush teilnahmen, zeigt, wie bedeutsam die Ansichten zur US-Außenpolitik selbst für landespolitische Auseinandersetzungen sind. Die Visite George W. Bushs in Berlin hatte vor dem Beginn des Irak-Kriegs Zehntausende auf die Straßen gelockt, darunter auch prominente Parlamentarier der damaligen rot-grünen Bundesregierung. Diese offenkundige Distanz von Vertretern der Regierungsparteien war neu für die deutsche Gesellschaft, deren antiamerikanische Ressentiments häufig von der publizistischen und politischen Präsenz der Atlantiker überdeckt wurden.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sah bei den Protesten der vorigen Woche die umbe­nannte SED und ihre Anhänger am Werk. Dabei übersieht das Blatt schlicht, dass Bush der Feind einer Front von rechts bis links ist, die dennoch nicht handlungsfähig ist. Denn wie groß wäre wohl die Einigkeit der Sozialdemokraten mit den Linken, wenn deren Politiker in Stralsund gegen deutsche Militäreinsätze im Kongo demonstrierten? Oder gegen den G 8-Gipfel 2007 in Mecklenburg-Vorpommern?