Sag mir, wo du stehst

Deutschland muss sich positionieren. Eine Beteiligung der Bundeswehr an der Uno-Mission im Libanon erfordert ein klares Bekenntnis gegen den Jihadismus. von ivo bozic
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Wenn Edmund Stoiber, Gregor Gysi, Guido Westerwelle und Claudia Roth, die NPD und die Jüdische Gemeinde, Antideutsche und Antiimperialisten einer Mei­nung sind, dann kann es wohl nur um die Frage gehen, wie viel eins plus eins ist, oder? Nein, auch so eine delikate Frage wie die nach einer Beteiligung deutscher Truppen an der internationalen Friedensmission im Libanon verneinen alle unisono. Und selbst jene, die sich noch vor kurzem im schwarz-rot-goldenen WM-Rausch gar nicht mehr eingekriegt haben vor lauter geiler Normalität, in der sich Deutschland endlich wähnte, erkennen ganz plötzlich die spezielle historische Verantwortung gegenüber Israel, weswegen man keines­falls deutsche Soldaten in eine Situation bringen dürfe, in der sie, womöglich aus Versehen, auf Juden schießen.

Obwohl also scheinbar alle dagegen sind, wird sich die Bundeswehr an der UN-Mission beteiligen. Über den Sinn dieser Mission, über die Ausgestaltung des Mandats, über die Rolle der Uno, über die Internationalisierung des Konflikts – über all das kann und sollte man streiten. Nicht aber über die Haltung Deutschlands.

Wenn es jemals eine Legitimation für die Wie­derbewaffnung der Bundeswehr, wenn es jemals ein legitimes Motiv für einen deutschen Auslandseinsatz gab, dann doch wohl, das Land der Überlebenden der Shoah, also Israel, zu verteidigen. Wie unbefriedigend auch das Mandat der UN-Truppe ausfallen wird, eines ist klar: Im Zweifelsfall wird sie sich nicht mit Israel, sondern mit der Hizbollah anlegen müssen, die bereits angekündigt hat, ihre Stellung im Südlibanon zu verteidigen. Wenn sich in Deutschland jetzt so viele verweigern möchten, dann nicht, weil man nicht mit Israel in Konflikt geraten will, wie wohlfeil behauptet wird, sondern weil man nicht mit der Hizbollah in Kon­flikt geraten will. Dafür gibt es einen guten Grund: Nämlich die Angst vor Vergel­tungsaktionen von Terroristen im eigenen Land. Alle anderen Gründe sind niederträchtig.

Sicher, es gibt auch politische Kräfte – und zwar immerhin so entscheidende, dass sie sich durchzusetzen scheinen –, die eine deutsche Beteiligung von Anfang an gefordert haben und die sich davon auch eine endgültige Entlastung von der historischen Schuld, die ultimative Aktion Sühnezeichen Friedensdienst versprechen. Dabei ist Deutschland längst ganz normal. Das nicht zu begreifen, wird langsam auch zu einem Problem der antideutschen Linken. Die Normalität nicht anzuerkennen, führt letztlich dazu, Deutschland seine Neutralität im Konflikt mit dem Jihadismus zuzugestehen.

Längst ist Deutschland auch Akteur im Nah­en Osten. Und zwar auf beiden Seiten. Als zuverlässiger U-Boot-Lieferant für Israel (und die U-Boote sind die wichtigsten Verteidigungswaffen des kleinen Landes, weil nur sie die Zweitschlagfähigkeit ermöglichen), als wichtiger Wirtschaftsexporteur in den Iran, auch als Waffenlieferant, als Makler in Syrien (Vermittlung im Entführungsfall 2003), als Appeaser gegenüber der Hizbollah (etwa bei einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung in Beirut im Fe­bru­ar 2004).

Deutschland will sehr wohl mitmischen in der Weltpolitik – nur nicht auf einer Seite. Man würde auch ein paar Schiffe vor der Küste Libanons planschen und ein paar unbemannte Drohnen über die Region fliegen lassen und vielleicht ein paar Pioniere schicken, die beim Wiederaufbau im Südlibanon helfen – oder sagen wir, wie es ist: um der Hizbollah beim Aufbau und damit bei ihrer Reintegration im Südlibanon zu helfen. Und das ist perfide. So präsentiert sich die Bundes­wehr als »humanitäre Friedensmacht«, die »neutral«, die »unparteiisch« ist. Mitmischen, ohne sich zu positionieren, das wäre aber das Elendeste, was Deutschland machen könnte.

Wenn Deutschland sich in den Kon­flikt zwischen Israel und der Hizbollah und damit dem Iran und dem anti­israelischen Jihadismus einbringt, dann muss Deutschland klar machen, auf welcher Seite es steht – und den Kopf hinhalten: nicht ein Lazarettschiff vor Beirut ankern lassen, sondern Kampftruppen mit ordentlicher Bewaffnung stationieren, die im Bedarfsfall den Konflikt mit der Hizbollah aufnehmen, wenn die sich ihrer Demilitarisierung verwei­gert. Ob das Mandat der UN-Truppe überhaupt diese Stoßrichtung annehmen wird, ist eine andere Frage. Aber von Deutschland sollte man nicht Zurückhaltung fordern, sondern ein klares Bekenntnis.

Nun mag man sagen, dass, wenn der erste Soldat bei der Verteidigung Israels das Leben lässt, in Deutschland endgültig der Schlussstrich unter die Vergangenheit gezogen werden würde, dagegen ist einzuwenden: Vielleicht wäre das der zulässige Moment.