En Garde

Die Kämpfe nach der Wahl im Kongo von jörn schulz

Es war exakt der Fall, für den die europäische Interventionstruppe Eufor entsandt worden war: Die Anhänger eines Präsidentschaftskandidaten sind unzufrieden mit dem Wahlergebnis und greifen zu den Waffen. »Gewalt, wenn nötig sogar tödliche Gewalt«, könnte in diesem Fall angewendet werden, hatte Bundeswehrgeneral Karlheinz Viereck, der Kommandant der Truppe, gedroht.

Doch sonderlich eilig hatten es die EU-Soldaten nicht, als unmittelbar nach der Verkündung der Wahlergebnisse am vorvergangenen Sonntag Gefechte in der Hauptstadt Kin­shasa begannen. Zunächst beschränkte sich ihr Einsatz auf die Evakuierung europäischer Diplomaten, die in der Residenz des Präsidentschaftskandidaten Jean-Pierre Bemba von den Kämpfen überrascht worden waren. Erst als die Kämpfe abflauten, besetzte die Eufor zentrale Kreuzungen in Kinshasa.

Im Hinblick auf das Weltmachtstreben der EU ist es sicherlich erfreulich, dass die Eufor es an militärischem Eifer fehlen ließ. Der Demokratisierung des Kongo wird es jedoch nicht zuträglich sein, dass die europäischen Diplomaten sich nicht einmal zu einer milden Kritik am Treiben der Kontrahenten durchringen konnten. Der amtierende Präsident Jo­seph Kabila und Bemba weisen jede Verantwortung für die Kämpfe, bei denen mindestens 16 Menschen starben, von sich. Die UN-Interventionstruppe Monuc spricht unter Berufung auf Augenzeugen von »einem Missverständnis«, das die Gefechte auslöste, die sich dann »zu Jean-Pierre Bembas drei Kilometer entfernter Residenz bewegt« hätten.

Es spricht jedoch einiges dafür, dass Kabilas Garde versucht hat, Bemba zu töten. Kabila wurden knapp 45 Prozent der Stimmen zugesprochen. Bemba liegt mit 20 Prozent weit zurück; seine Chance bei der für Oktober geplanten Stichwahl erscheint gering, doch Bündnisse mit unterlegenen Kandidaten und der UDPS Etienne Tshisekedis, dessen Anhänger die erste Wahlrunde boykottierten, könnten ihm vielleicht doch die nötigen Stimmen einbringen. Der Angriff auf Bembas Residenz war keine sporadische Schießerei, Kabilas Garde setzte neben Artillerie auch Panzer ein, die sie erst Ende Juli erhalten hatte.

Bereits jetzt ist klar, dass der zukünftige Präsident des Kongo von großen Teilen der Bevölkerung nicht als legitim anerkannt sein wird. 15 der 33 Kandidaten beklagten sich in einer gemeinsamen Erklärung über Wahlmanipulationen und warfen der »internationalen Gemeinschaft« vor, sie »wie Komplizen zu verschweigen«. Bislang haben weder die EU noch die Uno ein Interesse erkennen lassen, den Vorwürfen nachzugehen.

Kabila gilt als der Wunschkandidat Frankreichs, doch mit dem Multimillionär Bemba, der dem Diktator Mobutu Sese Seko als »Finanzberater« diente und dann als Kriegsunternehmer Karriere machte, können die westlichen Staaten ebenfalls ins Geschäft kommen. Ihnen geht es vor allem um Stabilität. Wie in anderen Bürgerkriegsstaaten bestand das nation building zunächst in einer Aufteilung der Macht unter den Warlords. Wahlen können in einer solchen Situation nur zum Frieden beitragen, wenn ein Kandidat gewinnt, der außerhalb des Systems der Warlords steht und zwischen ihnen vermitteln kann.

Im Kongo fehlt ein solcher Kandidat, nach der Präsidentschaftswahl dürfte der Gewinner keinen Anlass sehen, unterlegene Konkurrenten mit Pfründen abzufinden. Deshalb könnte eine Interventionspolitik, die Demokratisierung nicht als gesellschaftlichen Prozess begreift, sondern sich im Aufbau von Institutionen und der Abhaltung von Wahlen erschöpft, zum erneuten Ausbruch des Bürgerkriegs führen.