Raus aus dem Fahrstuhl

platte buch

»Der Jazz ist nicht tot, er riecht bloß ein bisschen«, witzelte Frank Zappa einmal. Miles Davis’ letzte Projekte müffelten streng. Und mausetot ist der legendäre Trompeter leider auch schon längst. Einer seiner Mitstreiter aus innovativen Zeiten war der Schlagzeuger Tony Williams – gestorben 1997. Mit seiner Soloband Lifetime hatte Williams großen Einfluss auf den aufkommenden Jazzrock der siebziger Jahre.

Jack De Johnette und John Scofield – mittlerweile Instru­mentalisten von Weltruhm – spielten nach Williams ebenfalls bei Miles Davis. De Johnette löste Williams 1969 bei Davis ab und spielte noch im selben Jahr in dessen legendären »Bitches Brew«-Sessions mit. Wenn solche Cracks zusammen mit dem Hammondorgel-Virtuosen Larry Goldings, den Williams noch kurz vor seinem Tod in seine Band holen wollte, zu Ehren dieses gemeinsamen Bandleader-Vorbilds als »Trio Beyond« eine Doppel-Live-CD in der Londoner Queen Elizabeth Hall aufnehmen, verspricht das trotz des überkandidelten Projektnamens gutes Material.

ECM hat das Konzert von 2004 jetzt herausgebracht, aber mit der typischen Jan-Garbarek-Ökostrickmutti-Besinnlichkeit, für die das Münchner Label seit den tiefsten Siebzigern berüchtigt ist, hat die Doppel-CD nichts zu tun. Dafür ist Scofields angezerrtes Gitarrenspiel einfach immer noch viel zu bluesig, De Johnettes melodiöses Schlagzeug zu abstrakt und sind Goldings’ Orgeln und E-Pianos viel zu unberechenbar.

Bereits im Intro zu seiner Komposition »As One« modu­liert Goldings wunderbar obskur zwischen Keith Emerson- und Johann Sebastian Bach-Sounds herum. Die Platte beamt den Zuhörer von so modern interpretierten Miles-Davis-Repertoire-Balladen wie »I Fall In Love Too Easily« zu totalen Stressnummern wie Tony Williams’ »Emergen­cy«: Adieu, Fahrstuhljazz. Hallo, Ohrenreiniger. Das ist frische Luft.

jan süselbeck

Trio Beyond. Saudades. Jack De Johnette, Larry Goldings, John Scofield. ECM