Zelte aufstellen!

Bei gutem Wetter ist Zelten die beste Form des Urlaubs. von tanja fischer

Lasse mich im blauen, / Ausgespannten Himmelszelt / Dein Geheimnis schauen«, heißt es in Goethes »Faust«. Der Dichter wusste offenbar um die Vorzüge des Zeltens. Und Recht hat er. Aber nur, solange es nicht regnet. Doch wenn die Sonne scheint, ist Zelten eine wunderbare Angelegenheit. Wer hat nicht schon alles davon geschwärmt? Wir stehen aufrecht, das Leben auf dem Boden überlassen wir denjenigen, die noch nicht angekommen sind, den Nomaden und Herumtreibern.

Aber ist es nicht genau das, was wir uns vom Urlaub erwarten? Sich treiben zu lassen, von einem Ort zum anderen zu schweifen, in den Tag hineinzuleben und Neues zu erfahren? Dabei aber völlig unabhängig zu sein und alles Lebensnotwendige immer in Reichweite zu haben? Was kann es Besseres geben als zu zelten? Das Zelt in einer schönen Gegend aufzuschlagen und immer die Möglichkeit zu haben fortzugehen, um erneut anzukommen. Nicht umsonst steht der Ausdruck »die Zelte abbrechen« für Neuanfang und für den Aufbruch in eine unbekannte, als besser erhoffte Zukunft.

Inzwischen gibt es extrem leichte Zelte – Minizelte wiegen etwas mehr als ein Kilo –, die sich in drei Minuten aufstellen und abbauen lassen. Die sich selbst aufblasende Luftmatratze wird ausgerollt. Darauf der kuschelige Schlafsack, der niemals klumpt und ebenfalls kaum Gewicht hat. Und bei dem man sich, anders als bei einem Hotelbett, nicht zu sorgen braucht, wer wohl vor einem darin gelegen haben mag. Noch ein kleines Kissen dazu, fertig ist das Schlafgemach.

Sodann kann der Vorplatz gestaltet werden. Die Luftmatratze dient als Sitzgelegenheit, ein Bettlaken wahlweise als Teil des Sonnenschutzes oder als Tischdecke. Wobei der Tisch meistens keine Beine hat, denn es ist der Boden, der einem als Tisch dient, im Idealfall ein duftender Walduntergrund, eine blühende Wiese oder ein Sandstrand. Wer hat sonst solch einen Luxus? Ein Zelt ist ein Zuhause auf Zeit, eine Miniwohnung mit Kochgelegenheit im Freien, direkt neben dem Bett. Der Unterschied zwischen »drinnen« und »draußen« ist quasi aufgehoben.

Keine Hotelsuite, kein Zimmer mit Frühstück kann am Morgen mit einem Platz fünf Meter vom Meer entfernt mithalten. Sie erwachen, die Wellen rauschen, und eine frische Brise weht durch das Schlafgemach. Der Blick aus dem Schlafsack fällt auf Wasser, strahlend blauen Himmel und die Sonne. Die Rede ist hier von einem Aufenthalt in südlichen Gefilden: Kreta, Südfrankreich, Sardinien, Korsika und viele Orte mehr. Es geht nicht um einen Zeltausflug ins verregnete Niedersachsen, an die nasskalte Ostseeküste oder die wegen der vielen Niederschläge als besonders grüner Landstrich gepriesene Bretagne.

An lauen Sommerabenden sitzt man vor einem klitzekleinen, angenehm knisternden Feuerchen, in dem Kartoffeln geröstet und auf dem Steaks gebraten werden. Dazu nimmt man einen Schluck Alkoholisches, gerne Rotwein oder Spirituosen, die im Schatten neben dem Zelt die optimale Trinktemperatur erreichen. Ein langer, heißer Tag vor dem Zelt unter dem Sonnendach – dem mit vier Stöcken gespannten Tischtuch-Bettlaken – geht zu Ende. Es war nicht nötig, sich weit vom Domizil zu entfernen, nur ab und zu ins Meer springen, dann wieder liegen und nichts tun.

Auch die Sterne erstrahlen nie so schön wie dann, wenn man auf der weichen Luftmatratze liegt und überlegt, ob man unter dem Himmelszelt, der einzig ebenbürtigen Alternative zu einem Campingzelt, schlafen sollte oder doch einen Meter weiter in den Schlafsack kriechen.

Himmelszelt und Sternenzelt werden nicht umsonst in Liedern besungen. Dazu gesellen sich Bierzelte, Partyzelte, Festzelte, Zirkuszelte … Menschen fühlen sich seit Jahrhunderten in Zelten gut aufgehoben. Was früher aus der Not geboren war, dem Zwang, weiter zu ziehen und sein Glück woanders zu suchen, ist heutzutage eine günstige Möglichkeit, einige Wochen im Jahr Haus und Hof selber zu gestalten. Und das macht Spaß. Außer wenn es regnet.