Braune Armee-Fraktion

Rechtsextreme Soldaten in der belgischen Armee wollten offenbar das Land mit Morden an führenden Repräsentanten destabilisieren. von korbinian frenzel, brüssel

War die bereits fertige Bombe, die Polizisten bei der Verhaftung von flämischen Neonazis fanden, für einen der führenden Politiker des rechtsextremen Vlaams Belang (VB) vorgesehen? Sollten die Kugeln aus den Waffen, die bei der groß angelegten Razzia gefunden wurden, den Anführer der »Arabischen Liga« treffen? Knapp zwei Wochen, nachdem die belgische Polizei in einer Groß­aktion 17 Neonazis, unter ihnen ein Großteil Soldaten der belgischen Armee, festgenommen hat, zeichnet sich ein womöglich größeres Ausmaß der geplanten rechten Gewalt ab als zunächst angenommen.

Nach jüngsten Berichten des belgischen Fernsehens sollten offenbar führende Repräsentanten der Gesellschaft Opfer von Anschlägen werden, mit denen der Staat destabilisiert werden sollte. Womöglich war sogar König Albert als Opfer vorgesehen. Ein brauner Putsch aus den Reihen des Militärs? Die ermittelnden Behörden bestätigen zumindest, dass die Aktivitäten der schon länger unter Beobachtung stehenden Gruppe so zugenommen hatten, dass ein Eingreifen unumgänglich war.

Der Plan der rechtsextremen Soldatentruppe, von dem der Fernsehsender VTM erstmals in der vergangenen Woche berichtete, klingt wie der Plot eines Terrorthrillers: Auf Philip Dewinter, einen führenden Politiker des VB, sollte demnach ein erstes Attentat verübt werden – getarnt als Anschlag einer islamistischen Vereinigung. Die Konfrontation wollten die braunen Soldaten angeblich weiter anheizen, indem sie kurze Zeit später den Führer der selbst ernannten und vor allem in Antwerpen aktiven »Arabischen Liga in Europa«, Dyab Abou Jahjah, ermorden wollten. Aus dem derart zugespitzten »Kampf der Kulturen« sollte dem Plan zufolge ein »faschistisches Flandern« hervorgehen, hieß es in dem Fernsehbericht. Bei der Razzia wurde nach Polizeiinformationen bereits ein fertiges Bekennerschreiben gefunden.

»Blut, Boden, Ehre und Treue« heißt die Gruppe, in der vor allem der Hauptverdächtige des Komplotts, Thomas B., aktiv war, während einige der verhafteten Soldaten womöglich nur in den illegalen Waffenhandel zur Finanzierung der Terrorgruppe involviert waren. Terrorismusexperten gehen davon aus, dass in Belgien etwa 50 Personen zum harten Kern der nach einer SS-Parole benannten Organisation gehören, die international unter dem Namen »Blood & Honour« agiert. »Die Polizei hat hier wahrscheinlich die entscheidenden Leute festgenommen«, vermutet Marco van Haegenborgh vom Zentrum für Chancengleichheit und gegen Rassismus. Besorgniserregend sei derzeit aber vor allem das Umfeld der Sympathisanten, sagt der Experte für Rechtsextremismus. »Vor allem unter jungen Leuten in Flandern wächst die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Parolen und wir stellen eine zunehmende Radikalisierung fest«, warnt er.

Wenige Wochen vor den landesweiten Kommunalwahlen erhält die Polizeiaktion gegen Rechts­extreme unweigerlich eine politische Dimension. Denn die Frage, wie weit rechtsextremes Gedankengut gerade im niederländischsprachigen Teil Belgiens verbreitet ist, wird die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erneut auf die natio­nalistischen Separatisten des Vlaams Belang lenken, die nach Umfragen mit 25 Prozent der Stimmen rechnen können.

Bereits im Mai, als in Antwerpen ein junger Sympathisant der Partei und Neffe einer VB-Abgeordneten auf offener Straße zwei Menschen tötete und eine Frau schwer verletzte, gab es eine Debatte um die Zusammenhänge zwischen den rassistischen Parolen der Partei und den Bluttaten ihrer Anhänger. (Jungle World 21/06)

Mit der Aufdeckung militanter Neonazis in der belgischen Armee scheint sich der braune Kreis weiter zu schließen. Der Täter von Antwerpen war nicht nur eng mit dem VB verbunden, sondern auch bestens vertraut mit der Ideologie von »Blood & Honour«. Die Polizei bestätigte vergangene Woche, dass er regelmäßig deren Websites besuchte.