Alte Studenten, neue Generäle

Dass Menschenrechtsverletzungen erstmals im UN-Sicherheitsrat debattiert wurden, hinderte das Regime Myanmars nicht an weiteren Verhaftungen von Oppositionellen. von michael reckordt

Die Veranstaltung wurde zwar von der Junta genehmigt, aber es war nicht ungefährlich, sich dort sehen zu lassen. Wer sich am 27. September im Büro der National League for Democracy (NLD) in der ehemaligen Hauptstadt Yangon eingefunden hatte, um den 18. Gründungstag der Partei zu feiern, wurde von Polizisten überwacht, gefilmt und fotografiert. Alle anderen Büros der größten Oppositionspartei in Myanmar sind seit dem Jahr 2003 geschlossen, und immer wieder kommt es zu Verhaftungen von NLD-Mitgliedern und anderen Oppositionellen.

Ende September traf es den Vorsitzenden eines NLD-Ortsverbandes, verhaftet wurden auch fünf Mitglieder der Gruppe »Studenten der 88er-Generation«, unter ihnen Min Ko Naing, einer der prominentesten Regimekritiker, der erst 2004 nach 16 Jahren Isolationshaft entlassen worden war. Den »Studenten der 88er-Generation«, demokratischen Oppositionellen, die am Aufstand im Jahr 1988 beteiligt waren, wirft das Regime vor, das Land zu destabilisieren und terroristische Akte zu planen. Die Gruppe hatte vor wenigen Wochen eine Kampagne für die Freilassung der Generalsekretärin der NLD und Friedensnobel­preisträgerin Aung San Suu Kyi begonnen. Suu Kyi hat von den vergangenen 17 Jahren zehn in Gefangenschaft oder unter Hausarrest verbracht. Ihre streng überwachte Isolation in ihrem Anwesen wurde im Mai um ein weiteres Jahr verlängert.

»Die Festnahme und Inhaftierung mehrerer politischer Anführer und die harten und dauerhaften Einschränkungen fundamentaler Freiheiten dienen der Stabilität Myanmars nicht«, kritisierte Paulo Pinheiro, der UN-Sondergesandte für Menschen­rechtsfragen in Myanmar. Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der politischen Gefangenen auf 1 100. Am 29. September stand die Situation in Myanmar erstmals auf der Agenda des UN-Sicherheitsrats, nachdem sich die USA und deren Verbündete gegen China und Russland hatten durchsetzen können. John Bolton, der US-Botschafter bei der Uno, sagte, Myanmar sei der zweitgrößte Opium­produzent auf der Welt, das Regime destabilisiere die Region, behindere die Bekämpfung von Aids und habe 200 000 Menschen zur Flucht aus dem Land gezwungen.

Sein Land habe nichts getan, was »den Frieden und die Sicherheit irgendeines Landes oder der Region gefährden« könne, entgegnete Außenminister Nyan Win. Doch nach dem Besuch des stellvertretenden UN-Generalsekretärs Ibrahim Gambari in Myanmar im November soll eine Resolution über die Menschenrechtsverletzungen erarbeitet werden. Doch China, der Haupthandelspartner Myanmars, würde Sanktionen des Sicherheitsrats wohl durch ein Veto verhindern, der chinesische UN-Botschafter Wang Guangya erklärte, Myanmar mache Fortschritte bei der Lösung seiner Probleme.

Die Militärregierung übernahm 1988 die Macht, weil das Regime General Ne Wins nach monatelangen Straßenkämpfen die Kontrolle zu verlieren begann. Angesichts der großen Unruhe erschien es dem Regime erforderlich, Reformwillen zu simulieren. Doch bei den Wahlen im Jahr 1990 gewann die NLD fast 80 Prozent der Parlaments­mandate. Die Generäle ließen die Bildung einer zivilen Regierung nicht zu, zuvor sollte eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Seit 1995 regiert das Militär unter der offiziellen Bezeichnung »Staatlicher Friedens- und Entwicklungsrat«.

Umbesetzungen in der Regierung deuten da­rauf hin, dass die Junta »die Kontrolle über die Bevölkerung erhöhen« wolle und die Übergabe der Macht an »die nächste Generation der Generäle« vorbereite, urteilt der Analytiker Win Min. Um eine zivile Fassade vorweisen zu können, soll die Arbeit an der neuen Verfassung, die jahrelang ruhte, in dieser Woche wieder aufgenommen werden. Oppositionelle sind daran nicht beteiligt, mit den Verhaftungen will das Regime offenbar Kritik von vornherein un­terbinden.