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Croissant statt Blutwurst

No future. Mit England geht es steil bergab. Das möchte man annehmen, wenn man zwei verschiedene Studien betrachtet, die vorige Woche veröffentlicht wurden.

Die eine stammt von der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD). Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Briten die dicksten Europäer sind, noch vor den Griechen und den Slowaken. Zwei Drittel der englischen Männer sind demnach übergewichtig, und 60 Prozent der Frauen. Als fettleibig gelten gar 25 Prozent der Erwachsenen.

Die Fettleibigkeit der Briten wird auf eine Mischung aus Unterschichtenproblem und britischer Esskultur zurückgeführt. In den Arbeitervierteln sind die Menschen am dicksten, dort werden traditionelle Dickmacher wie fish & chips meist lieber verzehrt als Obst und Gemüse.

Die englische Küche hat sowieso keinen guten Ruf, und man muss sagen: zu Recht. Vielleicht sehen das die Engländer inzwischen selbst so. Denn nur so lässt sich das Ergebnis einer anderen Studie deuten, die die Zeitschrift France veröffentlichte. Nach dieser wollen immer mehr Engländer keine Engländer mehr sein, sondern – ausgerechnet – Franzosen. Bleibt natürlich die Frage, wie das Ergebnis ausgefallen wäre, hätte eine Zeitschrift mit dem Titel Germany die Befragung durchgeführt.

Die neue Frankreich-Liebe ist deswegen so erstaunlich, da in England neben dem Deutschenhass fleißig auch die Verachtung der Franzosen gepflegt wird.

Doch France zufolge würde jeder fünfte Engländer heute lieber als Franzose zur Welt kommen. Schon spricht man von einem Frankreich-Trend in England.

Zu allem Überfluss bedient diesen auch noch der Regisseur Ridley Scott mit seinem Film »Ein gutes Jahr«, der demnächst in die deutschen Kinos kommt. Hier muss sich ein abgezockter Broker, gespielt von Russell Crowe, zwischen seinem glamourösen, aber eintönigen Leben in London und der französischen Provence entscheiden. Die Wahl fällt ihm am Ende dann aber doch leicht, denn in der französischen Idylle gibt es einfach die schöneren Frauen, den besseren Wein und natürlich das leckerere Essen. Der Film ist zwar schlecht, in Frankreich wird man ihn jedoch lieben. In England vielleicht ja sogar auch. (aha)

Rock gegen Erich

Klaus Renft. Er gehörte in der DDR zu den Rockern, die von der Stasi und Erich Honecker für ihr ewiges »Yeah, Yeah, Yeah« missbilligt wurden, in der Bevölkerung aber unheimlich populär waren. Die Platten seiner Klaus Renft Combo verkauften sich hunderttausendfach, obwohl diese musikalisch und textlich wenig mit den Vorstellungen der Vertreter des real existierenden Sozialismus zu tun hatten. 1975 wurde die Klaus Renft Combo dann auch verboten. Vorige Woche ist Klaus Renft, der mit bürgerlichem Namen Klaus Jentzsch hieß, im Alter von 64 Jahren verstorben. (aha)

Prädikat: wertvoll

Danièle Huillet. Sie galt gemeinsam mit Jean-Marie Straub, ihrem Regisseur-Partner, als Lordsiegelbewahrerin des cineastisch wertvollen Kinos. Das heißt: Wer unter Kino Action, Spannung, Sex und Gewalt versteht und im Kinosessel darauf hofft, dass es auf der Leinwand ordentlich kracht wie bei »Star Wars«, der wird sich bei den Filmen der beiden fragen, was das denn sein soll. Straub/Huillet stehen für intellektuelles Kopfkino, linkes Aufklärungsbewusstsein und Bilderstudien, für die man als Zuschauer einiges an Geduld aufbringen sollte.

Beim diesjährigen Filmfestival in Venedig bekam das Regisseur-Pärchen einen Ehrenlöwen für sein Lebenswerk, wobei die beiden durch antiamerikanische Äußerungen noch für einen kleinen Eklat sorgten.

Vorige Woche ist Danièle Huillet im Alter von 70 Jahren verstor­ben. (aha)

Wolfgang Voigts Factory

Mono. Das Berliner Magazin Mono ist ziemlich ungewöhnlich. Es erscheint alle zwei Monate und porträtiert in Interviewform einen einzigen Künstler ziemlich ausführlich. Die Gespräche werden in englischer Sprache publiziert, weil man sich im Ausland weit mehr für deutsche Künstler wie etwa den Soundartisten Carsten Nicolai interessiert als hierzulande.

Auch Wolfgang Voigt, dem die aktuelle Oktober-Nummer gewidmet ist, hat inzwischen außerhalb Deutschlands seine Verehrer. Der Mann, der sich einmal Mike Ink nannte und unter diesem Pseudonym den Minimal-Techno prägte wie kaum ein zweiter auf der Welt, steht inzwischen hauptsächlich dem Kölner Techno-Imperium Kompakt vor, das zunehmend auch in England und den USA als Garant für besten Techno gilt.

Das Voigt-Heft macht großen Spaß, ist hübsch aufgemacht, und die Fotos stammen von Jürgen Teller. Voigt erzählt nochmals davon, wie wichtig Pop für sein Verständnis von Techno immer schon war, was »typisch deutsch« an seiner Musik ist, dass er ein miserabler Schüler war und dass Andy Warhol für ihn der Größte ist. Das Heft kostet drei Euro. www.mono-kultur.com (aha)