Noch mehr Auswahl

Die rechtsextreme DVU in Bremen erhält Konkurrenz: Bei der nächsten Wahl will eine Initiative aus dem Umfeld der Deutschen Konservativen antreten. von andreas speit

Die Vereinbarung steht. In Bremen tritt im Mai kommenden Jahres die DVU zur Bürgerschaftswahl an. Neben ihr soll dort keine andere rechtsextreme Partei kandidieren. Nach dem Erfolg bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern wollen sich die NPD, die »freien Kameradschaften« und die DVU auch weiterhin nicht die Wähler gegenseitig abspenstig machen. Seit dem Jahr 1987 sitzt die DVU ununterbrochen in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung und seit 1999 in der Bremer Bürgerschaft. Trotz der Abmachung könnte der rechtsextremen Allianz bald eine neue Initiative Konkurrenz machen, und zwar unter dem Namen »Bremen muss leben«. Dahinter verbergen sich die Deutschen Konservativen um Joachim Siegerist.

Der Saal im Hotel Hilton ist gut gefüllt an diesem Freitagabend Anfang Oktober. An Tischen mit kleinen Deckchen sitzen Herren im Sakko und mit feinen Krawatten und Damen in Kostümen und mit teurem Schmuck. Manche haben sich ein braunes Lebkuchenherz mit dem Schriftzug »Bremen muss leben« umgehängt. Siegerist lässt es sich nicht nehmen, nahezu alle der rund 350 Gäste am Eingang des Saals mit einem festen Händedruck zu begrüßen und ihnen ein Lebkuchenherz zu überreichen. So viel Zeit, so viel Anstand hat der langjährige Vorsitzende der Deutschen Konservativen.

Hinter den Deutschen Konservativen steht seit Jahren Siegerists WPR Wirtschafts- und Politikverlag. Aus Hamburg, wo der 59jährige lebt, werden Publikationen wie »Macht Kasse – Genossen!« verschickt oder auch mal Briefe eines abgetriebenen Embryos »an meine Mutter, die ich nie gesehen habe«, zusammen mit einem Plastik-Embryo. Für die Veranstaltung im Hilton wurde mit einer Großanzeige im Weser-Report geworben.

Der Abend kostet viel Geld. Doch daran fehlte es dem eingetragenen Verein mit 25 Mitgliedern noch nie. Der Grund dafür ist, glaubt man Siegerist: »Wir haben 40 000 Förderer aus ganz Deutschland.« Mancher Gast scheint nicht nur ein Förderer zu sein. »Herrn Siegerist kenne ich schon lange«, sagt einer, und ein anderer bekennt: »Dem Joachim vertraue ich immer.« Die vermeintliche Misswirtschaft der Großen Koalition, die Bremen regiert, ist es, die die anwesenden Geschäftsleute, Kleingewerbetreibenden, Handwerker und Angestellten umtreibt.

Die Liste der Podiumsteilnehmer hat es in sich: Ivan Denes, Ronald Gläser, Peter Helmes, Heiner Kappel, Bernd-Thomas Ramb, Bernd Rabehl und Andreas Skorianz sind dort versammelt. Eine Frau hat neben den sieben Herren keinen Platz gefunden. Unter Applaus würdigt Siegerist aber eine langjährige Mitarbeiterin »seines Büros«. Die Rolle der Frau ist in diesen Kreisen eindeutig festgelegt.

Die Referenten, die allesamt mit der extrem rechten Szene verwoben sind, haben klare Vorstellungen davon, wie Bremen vor den »Einheitsparteien« und den »68ern« zu retten sei. »Sicherheit« ist möglich, betont etwa Andreas Skorianz, ein »Freiheitlicher« im Kärntner Landesdienst. Er erzählt, dass es in dem österreichischen Bundesland gelungen sei, die Kriminalität einzudämmen, und zwar durch »sichere Grenzen« und »schnelle Abschiebung«.

Die Verschuldung Hamburgs könne abgebaut werden, wenn endlich die Sozialleistungen für die faulen Hartz-IV-Empfänger und Zuwanderer gekürzt würden, meint Thomas Ramb, der regelmäßiger Autor in der Jungen Freiheit ist. »Mut« brauche man, wenn man die »Probleme durch Multikulti« ansprechen wolle, sagt wiederum Ronald Gläser, der Mitglied in der FDP und ebenfalls Autor der Jungen Freiheit ist. 80 Prozent der Straftäter seien Ausländer, und 80 Prozent der Opfer seien Deutsche. Die Rettung könne nur heißen: »sofortige Abschiebung!«

Die Kosten für den Mittelstand müssten gesenkt werden, mahnt dagegen Peter Helmes, der ehemalige Geschäftsführer der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, der auch der Zeitung der rechtsextremen Republikaner gerne mal ein Interview gibt. Vor allem aber bedürfe es eines Klimas, in dem die von den 68ern zerstörten Werte wieder etwas gelten würden. Die gestörte »deutsche Identität« beklagt Ivan Denes, der Chefredakteur der Konservativen Deutschen Zeitung, der ebenfalls für die Junge Freiheit schreibt. Er fordert, dass »nach 61 Jahren endlich aufgehört werden muss, Entschädigung zu zahlen«.

Heiner Kappel hebt besonders hervor, nichts mit der DVU oder NPD gemein zu haben, und warnt: »Die Medien werden uns als rechte Rattenfänger darstellen.« Er trat 1998 aus der FDP aus, schloss sich dem Bund freier Bürger an und wechselte später zur Deutschen Partei, deren Vorsitzender er bis ins vergangene Jahr war.

Bodenständig und christlich geben sich die Herren der Deutschen Konservativen, deren Ehrenvorsitzender Heinrich Lummer von der CDU ist. »Der braune Sumpf«, das wiederholt Siegerist an dem Abend immer wieder, sei ihnen »zuwider«. Sie alle wollten doch nur mit einem »rechts-demokratischen Gegengewicht« jenes Vakuum in der Mitte füllen, »weil selbst die Unionsspitze bei Demonstrationen gegen rechts mitmarschiert«.Mit Nazis wollen die Deutschen Konservativen offiziell nichts gemein haben, obwohl in ihren Schriften »Zigeuner« gern als »kriminelles Pack« bezeichnet werden. Gern sammeln sie auch Spenden für die ehemaligen lettischen Angehörigen der Waffen-SS.

Auf der Suche nach einer neuen Apo ist Bernd Rabehl, der frühere Weggefährte Rudi Dutschkes. »Ich wollte mir diese verbitterte Jugend anschauen, die sich bei der NPD und den Kameradschaften sammelt«, sagt er. Beim Pressefest der NPD am 5. August war er einer der Hauptredner. Allein die NPD und die Kameradschaften könnten eine neue Apo bilden, sagte er an diesem Abend.

Es gibt keinen Beitrag vom Podium, der im Hilton keinen Zuspruch findet. »Treten Sie an?« fragt ein älterer Herr hoffnungsvoll Siegerist, und ein etwas jünger Mann sagt: »Bitte!« Zurückhaltend dankt der Angeflehte und verspricht, »ernsthaft eine Kandidatur zu erwägen«. Der Zuspruch an diesem Abend mache Mut, aber antreten würden sie nur, wenn eine Chance bestehe. Das Ziel wären dann »20 bis 25 Prozent«. Mit dem Vaterunser und der dritten Strophe der Nationalhymne klingt der Abend aus. Stramm und laut.