Kampfzone Eigenheim

platte buch
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Generationenromane sind ja das große Thema derzeit. Und die Werte- und Familiendebatte. Und Schichten natürlich. In seinem neuen Roman »Die Frühreifen« hat sich nun auch Philippe Djian des Themas angenommen. Er – der wirklich nicht im Verdacht steht, ein Moralist zu sein – berichtet über Familien und Werte in einem Milieu, in dem weder das eine noch das andere im gebräuchlichen Sinne vorhanden ist. Nicht um Rütli-Schule oder banlieues geht es – genau dort spielen diese Dinge ja eben doch so eine große Rolle, und sei es in der Negation. Nein, Djian hat seine Geschichte in ein bizarres Künstler-High-Society-Idyll auf einem Villenhügel in der Nähe Lausannes verlegt, sozusagen in einen familien- und wertfreien Raum, in einen universellen Diskursraum, in dem das Gerede von Ober- und Unterschicht seine angemessene Relativierung erfährt. In dieser Welt lässt Djian den Generationskonflikt zwischen Zombie-Erwachsenen, die ihrem alten Postulat »Sex, Drugs, Rock’n’Roll« treu geblieben sind und in jeder Hinsicht das Schlechteste daraus gemacht haben, und völlig orientierungs- und skrupellosen Zombie-Jugendlichen eskalieren – ohne dass eigentlich viel passiert.

Es ist eine erbarmungslose Abrechnung auch und vielleicht gerade mit der (Post-) 68er-Generation, allerdings ohne ein konservatives Wertemodell dagegen zu setzen. Ein bisschen erinnert das Ganze vielleicht an Michel Houellebecqs Nihilismus, aber Djian hat den Vorteil, dass er schreiben kann – und das verdammt gut.

ivo bozic

Philippe Djian: Die Frühreifen. Diogenes Verlag, Zürich 2006, 391 S., 21,90 Euro