Frankfurt oder Frontstadt

raucherecke

Trotz eisiger Kälte versammeln sich rund 150 Bürgerinnen und Bürger, um am Gedenkstein der Synagoge in Frankfurt (Oder) der Opfer der Reichspogromnacht von 1938 zu gedenken. Um sie herum stehen etwa 30 Neonazis, einige davon vermummt. Die Polizei spricht Platzverweise aus, die ignoriert werden. Teilnehmer der Kundgebung werden fotografiert. Kurz nachdem sie zu einem Marsch zur Jüdischen Gemeinde aufbrechen, attackiert eine Gruppe von 20 Neonazis im Alter zwischen 15 und 25 Jahren den Gedenkstein. Blumenkränze werden zertrampelt, Grablichter kaputtgeschlagen. Zwei der Angreifer urinieren auf den Gedenkstein, ein anderer schreit »Sieg Heil«.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach dem Angriff vom Donnerstag der vergangenen Woche unter anderem wegen der Verwendung von NS-Kennzeichen und Landfriedensbruchs. Noch am gleichen Abend werden neun Personen festgenommen. Doch das Amtsgericht setzt alle auf freien Fuß.

»Zumindest im öffentlichen Raum sind solche Aktivitäten merklich zurückgegangen bzw. gar nicht zu bemerken«, erzählt Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) am Ort des Geschehens. Aufmerksamere Beobachter haben allerdings bemerkt, dass eine äußerst gewaltbereite Szene von Nazi-Hools des FFC Viktoria die Kleiststadt längst zur Frontstadt erklärt hat. Auch die Ausländerbehörde der Stadt trägt nicht unbedingt zu einem Klima der Toleranz bei. Seit Jahren beklagen sich Asylbewerber und Studierende gleichermaßen über eine rassistische Behandlung. Ein Kenianer sprang aus Verzweiflung vor der Abschiebung aus einem Fenster der Asylbehörde und ist seitdem querschnittsgelähmt.

Präsident des Frankfurter Fußballclubs Viktoria ist Patzelts Amtsvorgänger Wolfgang Pohl, er übersieht ebenfalls manche Aktivitäten im öffentlichen Raum. Auf Aufklebern in Frankfurt (Oder) und im angrenzenden polnischen Slubice rufen die rechtsextremen Fans seines Vereins zu Gewalttaten auf. Überfälle auf Antifas und linke Wohnprojekte sind an der Tagesordnung. Die politischen Verantwortlichen könnten jetzt die Folgen ihrer Verharmlosungspolitik sehen, sagt Antje Simnack vom Verein Utopia.

kamil majchrzak