Angst vor den Oskars

Linkspartei und Wasg wollen fusionieren. Oskar Lafontaine und andere SPD-Veteranen aus der Wasg blasen zum nationalbolschewistischen Angriff. von ivo bozic
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Im kommenden Jahr wollen die Links­partei, also die ehemalige PDS, und die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (Wasg) fusionieren. Viele Linke machen sich Sorgen darüber, dass die sozialistische Linkspartei damit von aus dem Westen stammenden Sozialdemokraten übernommen und weiter sozialdemokratisiert wird. So kann man das sehen, aber auch genau andersrum. Denn während sich die Linkspartei / PDS in den letzten 17 Jahren langsam, aber doch stetig von einer nationalbolschewistischen kommunistischen Partei hin zu einer laschen Sozialdemokratie gewandelt hat, stoßen nun – vor allem mit der Wasg – aus dem Westen ehemalige SPD-Kader hinzu, die sich in den letzten Jahren von der Sozialdemokratie abgewandt haben und bei der PDS den Anschluss an ein nationalbolschewistisches Milieu suchen. Es klingt bizarr, aber die Wasg ist heute mehr SED als die Linkspartei/PDS.

Eine Symbolfigur dafür ist Oskar Lafontaine, der eine zunehmend wichtige Rolle in der Bundestagsfraktion der Linkspartei spielt und wohl – vermutlich neben Lothar Bisky – künftiger Vorsitzender der vereinigten Linkspartei wird. Der ehemalige SPD-Vorsitzende war einer der Protagonisten bei der Demontage des Asylrechts 1993, forderte »Auffanglager« für Flüchtlinge in Nordafrika und hetzte gegen »Fremdarbeiter«, die deutschen Männern und Frauen die Arbeit wegnähmen. Den EU-Beitritt der Türkei lehnt Lafontaine ab, und auch sein Faible für den Islamismus teilt er mit der NPD. Er verteidigt das Atomprogramm des Iran, im April wollte er gar Mahmoud Ahmadinejad in Teheran besuchen und konnte gerade eben noch von seinen Genossen davon abgehalten werden.

Die Reise will er jedoch noch dieses Jahr zusammen mit dem ehemaligen Sozialdemokraten Norman Paech, jetzt MdB der Linkspartei, nachholen, wie das Büro von Lafontaine der Jungle World bestätigte. Im vergangenen Februar beschwor Lafontaine die »Schnittmengen zwischen linker Politik und islamischer Religion« – darunter das »Zinsverbot«.

Mit dieser Querfrontlogik steht er nicht alleine da. Sein Weggefährte Ulrich Maurer, früher Fraktionsvorsitzender der SPD in Baden-Württemberg, der nun ebenfalls für die Linksfraktion im Bundestag sitzt, sieht das genauso. In seinem kürzlich erschienenen Buch »Eiszeit« fordert er, dass die Linke ihren »militanten Atheismus« überwinden müsse und im Widerstand gegen die »neoliberale Hegemonie« das Bündnis mit dem »katholischen Lager und der islamischen Welt« suchen solle. »Gläubige und Linke« seien »natürliche Verbündete«. Auch den linken »Nihilismus in der nationalen Frage« kritisiert er und sieht Deutschland nach wie vor von feindlichen Alliierten bedrängt. Die Bundesrepublik habe nach der Wiedervereinigung ihre »Souveränität nur unvollständig erlangt«, erklärte er im Oktober in einem Interview in der Wochenzeitung Freitag. Auf deutschem Territorium seien »nach wie vor fremde Truppen stationiert«, über die die »deutsche Staatsgewalt keine Kontrolle« habe.

Das Interview mit Maurer führte Jürgen Elsässer, der inzwischen nicht mehr nur als journalistischer Lautsprecher Lafontaines und Maurers in der jungen Welt auftritt, sondern auch bei der Linksfraktion im Bundestag Beschäftigung gefunden hat, zunächst als Berater des ehemaligen Sozialdemokraten und jetzigem Linkspartei-Abgeordneten Wolfgang Neskovic, und nun als Mitarbeiter des Fraktionsmagazins Clara. Elsässer wird zunehmend zum Stichwortgeber und Multiplikator des Lafontaine-Flügels in der Linkspartei. In der jungen Welt schrieb er: »Mit Staatsknete wird Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur gefördert, während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden und sich oft auch keine Kita, kein Schwimmbad und keine warme Wohnung mehr leisten können.«

Die gestandene PDS-Politikerin Petra Pau reagierte erschrocken: »Was empfiehlt Elsässer letztlich? Klassenkampf für Hetero-Deutsche. Ich finde: Das ist nicht links, das ist originär rechts. Eine Partei, wie sie nach meiner Lesart Elsässer vorschwebt, gibt es schon. Sie heißt NPD.«

Damit scheint Elsässer jedoch kein Problem mehr zu haben. Nicht nur, dass seine Artikel in der Schweizer Zeitschrift Zeit-Fragen erscheinen, einem Nachfolgeprodukt der offiziell aufgelösten rechten Politsekte »Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis«, und er regelmäßig bei Veranstaltungen dieser Zeitschrift auftritt, nun findet man Elsässer auch in dem rechtsextremen Blatt Le Choc du mois aus Frankreich, das die Antifa-Zeitschrift Der Rechte Rand als »strömungsübergreifendes Projekt der extremen Rechten mit eindeutig verschwörungstheoretischen, antisemitischen und negationistischen Tendenzen« beschreibt. Ein Interview mit Elsässer fand sich dort in derselben Ausgabe wie eines mit Jean-Marie Le Pen.

Fest an der Seite Lafontaines als Vertreter des national-sozialen Flügels der Linkspartei steht auch Dieter Dehm. Dieser war lange Vorsitzender der Unternehmervereinigung in der SPD, dann stellvertretender Bundesvorsitzender der PDS und fordert seit Jahren einen positiven Bezug auf die Nation. Sein Antikapitalismus ist laut, aber billig und reduziert sich im Grunde auf die Verdammung der »Banken und Konzerne«. Auch der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Uwe Hiksch, der zwischenzeitlich Geschäftsführer der PDS war und heute der Wasg angehört, soll als Mitarbeiter Dehms in den Kreis der Fraktion zurückkehren.

Unterstützt wird der Kurs dieser alten SPD-Veteranen auch von der trotzkistischen Gruppe Linksruck in der Wasg und in der Fraktion der Linkspartei. Die Linksruck-Funktionärin Christine Buchholz ist Mitglied im Bundesvorstand der Wasg und Mitarbeiterin in der Linksfraktion. Ihr wird ein großer Einfluss auf die außenpolitische Linie der Fraktion zugeschrieben. Viele weitere Linksruck-Aktivisten sind in der Wasg aktiv. Die offensiv Lafontaine stützende Organisation ist nicht nur eine harmlose Trotzkisten-Sekte, sie vertritt einen aggressiven Antizionismus, stellt das Existenzrecht Israels in Frage, bezeichnet die Hamas und die Hizbollah als »rechtmäßigen Widerstand« und fordert zu deren Unterstützung auf. Christine Buchholz forderte vor einer antiisraelischen Demonstration im August in Berlin, die Hizbollah nicht weiter zu »dämonisieren«. Angesichts dieses Einflusses erscheint es nur folgerichtig, dass die Linksfraktion kürzlich die Hamas zu einer Nahost-Konferenz nach Berlin eingeladen hat.

In der Linkspartei scheint so langsam manchem zu dämmern, was für rotbraune Genossen man sich mit den ehemaligen BRD-Sozialdemokraten da ins Boot geholt hat. Nicht nur Petra Pau findet inzwischen deutliche Worte. Die Einladung der Hamas war bei der stellvertretenden Parteivorsitzenden Katja Kipping und zahlreichen anderen Parteimitgliedern und ‑funktionären auf heftige Empörung gestoßen. Wulf Gallert, Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt, warnte davor, »das Tor zu natio­nalistischer, antisemitischer und fremdenfeindlicher Mobilisierung« zu öffnen.

Es erscheint wie ein Treppenwitz der Geschichte, dass es nun offenbar an den alten SED-Veteranen aus dem Osten ist, die ehemaligen SPD-Veteranen aus dem Westen daran zu hindern, die Linkspartei geradewegs Richtung NPD marschieren zu lassen.