Das Land schaut auf Warschau

Kommunalwahlen in Polen von kerstin eschrich

»Wer Warschau gewinnt, gewinnt in ganz Polen«, behauptet der stellvertretende Vorsitzende der Bürgerplattform (PO), Jan Rokita. Das klingt sehr selbstbewusst, werden doch Hanna Gronkiewicz-Waltz von der rechtsliberalen PO die größten Chancen auf das Amt des Warschauer Oberbürgermeisters zugesprochen. Die Stichwahl zwischen ihr und dem derzeitigen kommissarischen Oberbürgermeister Kazimierz Marcinkiewicz von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) findet am kommenden Sonntag statt.

Allerdings kann auch die Aussicht auf einen Sieg in der Hauptstadt nicht verdecken, dass die rechtskonservative PiS der Gebrüder Kaczynski bei den Kommunal- und Bezirkswahlen am 12. November nicht so schlecht abschnitt, wie von ihren Gegnern erhofft. Die Partei verlor in allen großen Städten an Stimmen, insgesamt kam sie nur auf 30 Prozent, während die PO 43 Prozent und die Vereinigte Linke (LiD) 17 Prozent erhielten. Aber bereits auf der Bezirksebene lag der Vorsprung der PO gerade noch bei etwa drei Prozent, und auf dem flachen Land, in den Gemeinderäten, lag die PiS vorne. Daran ändert sich auch nichts, wenn die PO sich zum Sieger der Wahl erklärt.

In Warschau lag Marcinkiewicz im ersten Wahlgang knapp vor Gronkiewicz-Waltz. Auf den dritten Platz wurde Marek Borowski, der Kandidat der sozialdemokratischen LiD, gewählt. Ansonsten machen rechte Parteien unterschiedlicher Coleur die Wahlen unter sich aus. Was sowohl mit den Bestechungsaffären, dem Intrigensumpf und der Überheblichkeit der ehemaligen sozialdemokratischen Regierung als auch der fehlenden Aufarbeitung der realsozialistischen Geschichte zu tun hat.

Der ehemaligen Chefin der Zentralbank und früheren stellvertretenden Präsidentin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung werden größere Chancen eingeräumt, da es als sicher gilt, dass die unterlegenen Sozialdemokraten ihre Wähler auffordern werden, für sie zu stimmen. Die gebürtige Warschauerin Gronkiewicz-Waltz, die sich vehement für die Rechte berufstätiger Frauen einsetzt, hatte ähnliche Akzente gesetzt wie der derzeitige Amtsinhaber. Beide kündigten an, die Infrastruktur Warschaus verbessern zu wollen, um die Stadt vor einem drohenden totalen Verkehrschaos zu retten.

Marcinkiewicz hatte das Amt des Oberbürgermeisters kommissarisch seit seinem Abgang als Ministerpräsident im Juni inne. Er erhielt es von Lech Kaczynski, der quasi mit ihm tauschte und dafür in sein Amt wechselte. Damals hieß es noch beruhigend von Seiten der Kaczynskis, er werde mit hundertprozentiger Sicherheit Bürgermeister. So sieht es aber nun nicht aus. Warum sich der Mathematiker damals auf den Handel eingelassen hat, ist nicht klar. Es gibt aber Gerüchte, Marcinkiewicz habe sich mit Staatspräsident Jaroslaw Kaczynski nicht gut verstanden.

Lech Kaczynski hatte die Wahl zum Oberbürgermeister im Jahr 2002 mit großer Mehrheit gewonnen und die Stadt rigoros »gesäubert«. In keiner anderen polnischen Stadt wird seitdem das Alkoholverbot auf den Straßen so vehement durchgesetzt wie in der Hauptstadt. Polizisten patroullieren überall und fordern schon mal Passanten auf, sich nach verstecktem Alkohol durchsuchen zu lassen. Die Auen an der Weichsel, früher beliebt bei jungen Leuten wegen der Buden und Imbissstände, wurden geräumt. Die Gayparade ließ Kaczynski zweimal verbieten.

Offensichtlich sind viele Warschauer inzwischen der Meinung, dass ein Mann aus dem Stall der verknöcherten Kaczynskis nicht dazu angetan ist, den Ruf einer Metropole wie Warschau zu verbessern.