Nazis weg von den Töpfen!

Ein Verbot der NPD würde die politische Arbeit der Rechtsextremen deutlich erschweren. Rassismus und Antisemitismus verschwänden deshalb nicht. von jörg kronauer

Die NPD-Fraktion lehnt die Erhöhung staatlicher Zuwendungen an die jüdischen Gemeinden auf jährlich 725 000 Euro als Zumutung für den sowieso schon ge­schröpften Steuerzahler ab.« Heftig polemisier­te Jürgen W. Gansel, Abgeordneter der rechts­ex­tremen Partei, im Juni, als der sächsische Landtag die erwähnten Zuwendungen genehmigte. Gansel ließ seiner Wut darüber, dass deutsche Jüdinnen und Juden Mittel vom Bun­desland Sachsen bekommen sollten, freien Lauf: »Zum Geld – insbesondere zum deutschen – hat man in diesen Kreisen ja sowieso ein Sonderverhältnis.«

Antisemitische Hetze, wie man sie aus der NPD kennt, ist in der deutschen Bevölkerung auch zwei Generationen nach der Befreiung vom Nationalsozialismus weit verbreitet, und zwar keinesfalls nur im Osten. Hätten aber Gan­sel (ein West-Import) und die NPD keine Man­date im sächsischen Land­tag, dann fehlte den Antisemiten ein nützliches Instrument für ihre Stimmungs­mache. Der Schritt von den Stammtischen ins Parlament ist ein Schritt in eine Öffentlichkeit, die mit staatlichen Weihen versehen ist und ge­rade unter den staatsfixierten Rechten besondere Aufmerksamkeit genießt. Ohne diesen Schritt wären die medienwirksamen Auftritte der Rechtsextremen im sächsischen Landtag nicht möglich, mit denen sie die gängigen Ressentiments immer noch weiter verbreiten. Auch die Hetze gegen die Finanzierung der jüdischen Gemeinden Sachsens hätte nicht den Anschein parlamentarischer Legitimität erhalten, säßen in Dresden keine Neo­nazis im Abgeordnetenhaus.

Ein Verbot der NPD würde der parlamentarischen Präsenz der Rechtsextremen vorläufig ein Ende bereiten. Es nähme den Antisemiten eine wichtige Plattform für ihre Propaganda und zugleich ein Instrument ihrer politischen Basisarbeit. Mit schlichter Interessenvertretung sucht die Partei die Anbindung ihrer Klientel zu verfestigen und neue Anhänger zu gewinnen. Eine wirksame Interessenvertretung ist jedoch an das Mandat gebunden, das es erst ermöglicht, Anträge einzubringen und die eigene Mei­nung geltend zu machen. Die kulturelle Hegemonie, die die extreme Rechte etwa in Teilen der Sächsischen Schweiz innehat, ist für sie ein wichtiger Erfolg, aber es bedarf intensiver Bemühungen, soll sie auf Dauer stabilisiert werden. Auch Nazis fällt nicht alles von selbst in den Schoß. Bei ihren Bemühungen, in Stadt und Land an Einfluss zu gewinnen, hilft die parlamentarische Präsenz ungemein.

Finanziell würde ein Verbot die extreme Rech­te mindestens ebenso hart treffen. Allein die Wahlkampfkostenerstattung, welche die NPD regelmäßig geltend machen kann, summiert sich zu Millionenbeträgen, die in Propa­gandamittel gesteckt werden können. Mehr als 600 000 Euro brachte allein die Bundestagswahl im vergangenen Jahr in die Parteikasse, zwischen 2002 und 2005 erhielt die Organisation insgesamt rund 2,5 Millionen Euro vom Staat. Hinzu kommen die Fraktions­gelder und die Abgeordnetengehälter in Sach­sen und Mecklenburg-Vorpommern. »Exakt 118 560 Euro stehen der NPD-Fraktion monat­lich an Sachkosten zu«, berichtete das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin über die Zahlungen aus dem sächsischen Landeshaushalt. In Schwerin wurden die Fraktionsgelder immerhin auf insgesamt rund 600 000 Euro pro Jahr gekürzt. Hinzu kommen jedoch für die sechs Mandatsträger jeweils 52 800 Euro im Jahr.

Auch die Anzahl der weiteren Personen, die für die politische Arbeit freigestellt werden können, solange die NPD in den Parlamenten vertreten ist, ist ein ernst zu nehmendes Argument für ihr Verbot. In Dresden bezahlt der Landtag neben den Abgeordneten insgesamt mehr als 20 Fraktionsmitarbeiter. Unter ihnen befinden sich altgediente Rechtsextreme, die zumindest für die Dauer der Legislaturperiode keine Zeit mit lästiger Erwerbsarbeit verschwenden müssen. Ihre Kapazitäten stehen uneingeschränkt für rechtsextreme Agitation zur Verfügung. Weiterhin genießen sie auch noch besondere Vorrechte: Parteimitgliedern und Abgeordneten der NPD kann zum Beispiel eine angemeldete Kundgebung oder Demonstration deutlich schwerer verboten werden als einer Privatperson. Meldet die NPD eine Veranstaltung an, dann steht sie wie jede Parteiveranstaltung unter besonderem staatlichem Schutz.

Selbstverständlich würde ein Verbot der NPD die organisatorische Struktur der extremen Rechten schwer erschüttern, zumal in den vergangenen Jahren eine Orientierung ganz unterschiedlicher Kräfte auf die Partei zu beobachten war. Ohne die Partei stün­de eine neue, umfangreiche Aufbauarbeit an. Das würde die extreme Rech­te nicht nur in ihrer Entwicklung deut­lich zurückwerfen. Möglich wäre auch, dass alte interne Streitigkeiten eskalie­ren würden. Die Frage, wer das Verbot zu verantworten habe, dürfte zu hefti­gen Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Flügeln der Par­tei führen. Dass in der NPD durchaus Konfliktpotenzial vorhanden ist, zeigt beispielhaft die sächsische Landtagsfraktion. Von anfänglich zwölf Mitgliedern ist sie inzwischen auf acht geschrumpft.

Dass ein Verbot der NPD die gesellschaftlichen Ursachen für das Erstarken des Rechtsextremismus nicht beseitigen kann, ist kein ernsthaftes Gegenargument. Natürlich würde ein Verbot etwa den weit verbreiteten Anti­semitismus ebenso wenig vermindern wie andere rechtsextreme Einstellun­gen. Kurzfristig wären sogar eine Solidarisierung und eine Stärkung der rechten Kreise vorstellbar. Mittelfristig dürften sich allerdings die finanziellen Einschnitte auch bei eventuel­len Nachfolgeorganisationen deutlich bemerkbar machen. Fehlen Millionenbeträge und eine Struktur, um Politik zu machen und Propaganda zu verbreiten, dann bleibt eine Schwächung der rechtsextremen Aufbauarbeit wohl kaum aus.

Für den langfristigen Kampf gegen Rechts sind freilich politische Strategien vonnöten, die auf einer prinzipiellen Ebene ansetzen. An­tisemitische und rassistische Ressentiments in jeder Form müssten kritisiert werden. Hierfür kann man von staatlicher Seite keinerlei Unterstützung erwarten. Der »Auf­stand der Anständigen«, die Lichterketten und ähnliche Aktionen beschränkten sich stets auf sinnlose mediale Effekthaschereien, die gänzlich folgenlos blieben. Angesichts dessen könnte man schon froh sein, wenn die staatlichen Apparate wenigstens das zustande brächten, was nur sie vermögen: ein Parteiverbot auszusprechen und damit die Finanzen und die Organisationsstruktur der extremen Rechten schwer zu beschädigen. Ernsthafter antifaschistischer Politik kann das durchaus taktische Vorteile verschaffen.

Schwerer wiegt ein anderer Einwand. Das Verbot einer Partei ist ein außergewöhnlicher Akt, der das Niveau der Repression im Innern weiter erhöht. Nicht nur wären weitere Parteiverbote vorstellbar, die auch linke Organisationen treffen könnten; eine solche Maßnahme reihte sich vor allem ein in andere Unternehmungen der staatlichen Gewalt, die die bislang in der Bundesrepublik gewährten Grundrechte immer mehr in Frage stellen. Sollte ein NPD-Verbot tatsächlich erfolgen, müsste die politische Auf­merksamkeit in Zukunft noch stärker als bislang auf die Wahrung der Grund- und Menschenrechte gerichtet werden.

Bleibt die Frage, warum Politiker aus der SPD ausgerechnet jetzt ein neues NPD-Verbotsverfahren verlangen, wo doch die rot-grüne Regierungskoalition in der vergangenen Legislaturperiode das alte Verbotsverfahren so grandios in den Sand gesetzt hat. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Peter Struck, gab kürzlich einen Hinweis. »Die NPD ist eindeutig eine verfassungswidrige Partei«, gab er zu Protokoll. »Sie praktiziert Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung.« Das Kriterium der Gewalttätigkeit trifft vor allem auf Neonazis aus der militanten Kameradschaftsszene zu, die inzwischen in der Partei immer weiter nach oben drängen. Nicht nur im Bundesvorstand der NPD sind sie inzwischen, auch im Landtag Mecklen­burg-Vorpommerns sitzen mit Tino Müller und Birger Lüssow zwei von ih­nen. Dass sich Antidemokraten aus dem gewalttätigen Milieu von staatlichen Pfründen nähren, ruft in der SPD großen Ärger hervor. Der Innenminister Sachsen-Anhalts, Holger Hövelmann (SPD), warnte ausdrücklich vor einer »Radikalisierung« der NPD, womit nach Lage der Dinge nur ein weiterer Aufstieg der Kameradschaftsnazis innerhalb der Partei gemeint sein kann.

Ob sich die Forderung nach einem Verbotsverfahren gegen den Widerstand vor allem von Mitgliedern der Unionsparteien, aber auch von SPD-Politikern durchsetzen lassen wird, ist noch nicht abzusehen. Schließlich ist es wohl vielen Politikern ganz recht, auf die Bösen am rechten Rand verwei­sen zu können. Denn dagegen erscheint noch jede staatliche Maßnahme zur Flüchtlingsabwehr oder zur inneren Sicherheit als liberal.

Dabei ist die gesamte Debatte eigent­lich völlig unnötig. Hätte die Bun­des­regierung nicht das Potsdamer Abkommen zu einem »abgeschlossenen historischen Kapitel« erklärt und damit faktisch außer Kraft gesetzt, dann wäre die NPD ohnehin verboten. »Jeder nazistischen und militaristischen Betätigung und Propaganda ist vorzubeugen«, heißt es darin. Artikel 139 des Grundgesetzes legt fest, dass gegen diese Bestimmung auch eine Berufung auf das Parteienprivileg des Artikels 21 nicht hilft.