Batschen statt latschen

In Frankfurt am Main gehen die Proteste gegen die Studiengebühren auch im Wintersemester weiter. Zusätzlich streben die Studierenden eine Verfassungsklage an. von jesko bender

Ein Zitat von Ulrike Meinhof zierte als Überschrift die Erklärung Studierender, als sie vor etwa drei Wochen das Präsidium der Frankfurter Universität besetzten. »Protest ist, wenn ich sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das und das nicht mehr passiert.«

Etwas Scham befällt einen schon angesichts eines derart selbstbewusst vorgetragenen Radikalismus. Möglicherweise sollte der Ausspruch Meinhofs aber auch nur zeigen, dass man ein Bewusstsein für die Geschichte der Studierendenproteste hat; vielleicht wollte man den Adressaten der Ak­tion ein wenig provozieren. Gewalttätig, etwa mit einer Entführung oder einer Schießerei, endete die Besetzung jedenfalls nicht: Wie angekündigt verließen die 40 Besetzerinnen und Besetzer abends das Büro des Präsidenten der Universität, Rudolf Steinberg. Ihre Botschaft wurde auch ohne Scharmützel mit der Polizei deutlich. Die Semesterferien sind zwar vorbei und das Gesetz zur Einführung von Studiengebühren ist verabschiedet, der Protest geht dennoch weiter.

»Wir demonstrieren zwar nicht mehr jede Woche, die Intensität der Aktionen bleibt aber gleich«, sagt Amin Benaissa, der Vorsitzende des Asta der Universität Frankfurt. Er betont, dass die Proteste der Studierenden keine »Latschdemos wie früher« seien, sondern dass mit den Blockaden und Besetzungen Druck erzeugt werden solle. Mehrere tausend Stunden Verspätung im Nah- und Fernverkehr, etwa um den Frankfurter Hauptbahn­hof herum, richteten nämlich einen nicht unbeträchtlichen wirtschaftlichen Schaden an.

Er spielt damit auf eine Demonstration im Anschluss an die erste herbstliche Vollversammlung der Studierenden an. Am 1. November zogen zwischen 800 und 1 000 von ihnen den gesamten Nachmittag durch die Innenstadt, und am frühen Abend gelang es etwa 100 Personen trotz des großen Polizeiaufgebots, die Gleise am Hauptbahnhof zu stürmen. Daraufhin musste der gesamte Nah- und Fernverkehr für eine knappe Stunde eingestellt werden.

Die von Benaissa beschriebene Strategie scheint also aufzugehen. Der von ihm auf etwa 500 Studierende geschätzte »harte Kern, der auch spontan und ohne größere Mobilisierung aktiv ist«, zeigt sich in der Tat ausgesprochen agil. Auch im Anschluss an die Premiere einer Dokumentation über die Proteste der Studierenden im Frühjahr mit dem Titel »Kick it like Frankreich« in einem Frankfurter Kino versammelten sich nachts 600 Besucherinnen und Besucher der Vorstellung und zogen durch die Innenstadt. Dabei blockierten sie Straßen, zündeten Mülltonnen an und warfen Schaufensterscheiben ein.

Wie sich in den Wochen seit Semesterbeginn gezeigt hat, haben es die Studierenden nach vielen Jahren wieder einmal geschafft, eine Protestbewegung auch über die Semesterferien hinweg aufrechtzuerhalten. Zuletzt flauten die Aktionen gegen die Einführung von Langzeitstudiengebühren im Wintersemester 2003/2004 über die Weihnachtsferien ab. Dass die Proteste weitergehen, ist beachtlich, denn die letzte Demonstration vor den Sommerfe­rien hatte mit rund 250 Festnahmen geendet. Einige Tage zuvor hatte die Polizei bereits eine Party im Studierendenhaus gestürmt und 50 Partygäste festgenommen.

Dennoch ist die Landesregierung bisher nicht in Bedrängnis. Während in der Zeit vor der Fußballweltmeisterschaft vor allem die Autobahn- und Bahnhofsblockaden für große Beunruhigung bei all denen gesorgt hatten, die sich um nichts mehr Gedanken machten als darum, gute Gastgeber zu sein, wird den Aktionen inzwischen weniger mediale Aufmerksamkeit zuteil. Bisher sind die Studierenden weit davon entfernt, die Erhebung von Gebühren ab dem Wintersemester 2007/2008 zu verhindern.

Deshalb gibt es neben den Demons­tratio­nen und Aktionen einen zweiten Plan. Immer wieder hatten die Studierenden darauf hingewiesen, dass die Einführung von Studiengebühren gegen die hessische Verfassung verstoße, und angekündigt, im Falle der Verabschiedung des Gesetzes eine Verfassungsklage einzureichen. Auf Initiative der hessischen Asten, einiger Gewerkschaften, Lehrerinnen- und Lehrerverbände und Schülerinnen- und Schülervertretungen ist inzwischen eine Kampagne angelaufen, die die Klage möglich machen soll. Denn das ist nicht so einfach, wie es sich anhört.

Damit ein »abstraktes Normenkontrollverfahren« überhaupt angestrengt wird, muss ein Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung Hessens – das sind momentan 43 308 Menschen – ein Formular ausfüllen, mit diesem zur Gemeindeverwaltung des Hauptwohnsitzes gehen, es vor den Augen der Sachbearbeiterinnen oder Sachbearbeiter unterschreiben, abstempeln lassen und dann zu einem Sammelpunkt der Initiatoren der Kampagne bringen. Ein Vormittag dürfte dafür schon draufgehen. Trotzdem seien bisher mehr Bögen abgegeben worden als erwartet, sagt Benaissa.

Auch wenn die Verfassungsklage von manchen als eine staatstragende Form des Engagements angesehen wird, könnte sie womöglich der letzte realistische Weg sein, die Studiengebühren in dem jetzt beschlossenen Ausmaß zu verhindern. Dabei könnten für die Argumentation der Gegnerinnen und Gegner von Studiengebühren auch die ersten Zahlen aus denjenigen Bundesländern hilfreich sein, die bereits zu diesem Wintersemester Studiengebühren eingeführt haben. Denn offensichtlich hindern die Gebühren tatsächlich Menschen an der Aufnahme eines Studiums. Wie die Zeit berichtete, ging die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger in Nordrhein-Westfalen um 5,3 Prozent zurück, in Niedersachsen schrieben sich im Vergleich zum Vorjahr etwa zwei Prozent weniger Personen ein.

Für den Fall, dass all diese Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sein würden, arbeiten die Asten in mehreren Ländern an einem groß angelegten Boykott der Gebühren. Der Plan ist, die Gebühren nicht auf die von den Landesregierungen bzw. den Universitäten vorgesehenen Konten, sondern auf ein Treuhandkonto zu überweisen. Derzeit hoffen die Studierenden aber noch, mit den bisherigen Aktionsformen erfolgreich zu sein. »Für uns ist das Gesetz nach wie vor in der Schwebe«, sagt Benaissa.

Donnerstag dieser Woche wollen sich Frankfurter Studierende am »Global Action Day for Education« beteiligen und rufen zu »entschlossenen Widerstandsformen« auf. »Aktionen zur Wiederaneignung öffentlicher Räume, aus denen wir zunehmend ausgeschlossen werden sollen, sind an diesem Tag für uns das Mittel der Wahl«, heißt es weiter. Passender als der Spruch von Ulrike Meinhof klingt das allemal.

Weitere Infos: www.verfassungsklage-bildung.de, www.uebergebuehr.de