Das Leben ist keine Modenschau

in die presse

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Politiker bei ihren Auslandsbesuchen so treiben, wenn sie das Galamenü verschlungen haben? Bundespräsident Horst Köhler schaut Fernsehen. Und zwar ziemlich ausdauernd, wenn es ihn »eindringlich berührt hat«. Zum Beispiel einen Kanal in Sierra Leone. Dort sah Köhler »Modenschauen aus Paris«, »keine Nachrichten, keine Aufklärung«, nur »Models auf dem Laufsteg«, es war »ein Bilderstrom von Luxus und Leichtigkeit, Ablenkung – auch Verlockung«.

Aber unser Bundespräsident hat sich nicht verlocken lassen. Vielmehr war ihm die Modenschau eine Mahnung: »Ich sehe einen Zusammenhang zwischen solchen Fernsehprogrammen und den Leichen junger Afrikaner, die an den Stränden Lampedusas und anderswo angespült werden.« Die Afrikaner sehen die Models, und schon wollen sie »sich aus allem lösen, was ihr bisheriges Leben ausgemacht hat, und in Nussschalen und Seelenverkäufer steigen, um sich Träumen hinzugeben«.

Mit diesem Gleichnis wollte Köhler in seiner Rede beim Festakt zum 50. Jahrestag der Gründung des Deutschen Presserates warnen. Nicht vor rassistischen Klischees, sondern vor der »Macht des Bildes«. Jenseits des Laufstegs soll der Journalist sich »auf die Suche nach der Wahrheit« machen. Aber nicht einfach so, denn die Pressefreiheit ist »eine Freiheit, die sich bindet, indem sie sich selbst Grenzen setzt«. Der Journalist möge sich nicht »pauschal über Politik verächtlich machen«, denn schließlich soll er dem großen Ganzen dienen: »Nehmen Sie sich doch bitte vor, die Qualität im deutschen Journalismus zu steigern, weil das nicht nur für Ihr Unternehmen, sondern für das Land insgesamt gut ist.«

Heute steigern wir die Qualität in Deutschland, und morgen in der ganzen Welt. Köhler fordert, »Maßstäbe für einen Welt-Journalismus zu definieren«. Denn »die zunehmende Komplexität der Zusammenhänge verlangt eine hohe Qualifikation derer, die das Erklären übernehmen«. Es ist nicht jedem gegeben, den Unwissenden zu erklären, wie eine Modenschau in Paris zum Ertrinken von Afrikanern führen kann, und den Afrikanern klar zu machen, dass das Leben keine Modenschau ist und sie gefälligst daheim bleiben sollen.

jörn schulz