Feuer und Flamme für Tupou

Enttäuscht über das Ausbleiben von Reformen, zerstörten Protestierende den größten Teil der Hauptstadt Tongas. Der König verspricht nun »mehr Demokratie«. von anke richter

Maliana Sevele steht zwischen herausgerissenen Registrierkassen in einer Pfütze aus Bier und zwischen zerbrochenem Glas. Das Chaos aus Müll und Ruß war bis vor kurzem ihr Supermarkt »Molosi«, der größte von ganz Tonga. Doch weil ihr Vater der Premierminister und Tonga ein Selbstbedienungsladen für Politiker und Adlige ist, blieb auch von »Molosi« nicht viel übrig.

Im vergangenen Jahr protestierten die Untertanen, deren Durchschnittseinkommen bei drei Euro pro Tag liegt, erstmals zaghaft gegen Nepotismus, Korruption und Pressezensur. Der Tod des trotz allem verehrten Königs Taufa’ahau Tupou IV. brachte im September seinen Sohn George Tupou V. auf den Thron – einen Regenten, der sich bislang mehr für Spielzeugsoldaten als für Politik interessiert hat und sich einst über seine Untertanen mokierte, die »in die Aufzüge urinieren« würden, wenn man sie sich selbst überließe.

Veränderung erhoffte man sich von dem im März angetretenen Premierminister Fred Sevele. Ein halbes Jahr lang hatte ein Komitee die Insulaner befragt, wie sie ihr Land regiert sehen woll­ten, und anschließend demokratische Reformen empfohlen. Als sich abzeichnete, dass die Regierung sich am 16. November ohne Reformbeschlüsse für den Rest des Jahres verabschieden wollte, verwandelte der Unmut der rund 10 000 Menschen, die sich vor dem Parlament versammelt hatten, die Hauptstadt innerhalb von Stunden in eine Kriegszone.

Maliana Sevele fürchtete an diesem Tag um ihr Leben: »Ein Mann griff mich an, dann habe ich mich hinten verschanzt.« Auch die königliche Telefongesellschaft ging in Flammen auf, die Scheiben des Parlaments barsten, Autos wurden umgekippt. Acht Menschen starben während der Unruhen, zwei davon vermutlich nach ihrer Verhaftung. 80 Prozent der Hauptstadt Nuku’alofa liegen seitdem in Schutt und Asche, die Wiederaufbaukosten belaufen sich auf 140 Millionen Dollar. Besonders betroffen sind etliche der rund 4 000 eingewanderten Chinesen, die in den neunziger Jahren für teures Geld tonganische Pässe erstanden hatten und den Großteil der Geschäftswelt Nuku’alofas kontrollieren. Hunderte Chinesen warten jetzt auf ihre Ausreise.

Aus Furcht vor weiteren Gewalttaten haben sich die Bewohner einiger Dörfer mit Macheten bewaffnet. Der königlichen Garde sind 150 Soldaten aus Neuseeland und Australien zur Seite gestellt worden. Die tonganischen Parlamentsabgeordneten Clive Edwards und Akilisi Pohiva forderten den sofortigen Abzug der Truppen, da diese ein Unrechts­system unterstützten. »Unsere Leute sind in Tonga, um Normalität herzustellen«, rechtfertigte dagegen der neuseeländische Außenminister Winston Peters die militärische Präsenz. Die Premierministerin Helen Clark hatte zuvor betont, dass für eine feuda­listische Monarchie kein Platz mehr sei.

Noch aber mangelt es in Tonga an Platz für po­litische Gefangene. Mindestens 25 Menschen sind verhaftet worden, das Gefängnis auf der Haupt­in­sel Tongatapu soll nun vergößert werden. Den Oppositionellen wiederum wird vorgeworfen, den Aufstand inszeniert zu haben. Nach Angaben der Zeitung Taimi O Tonga wurden Jugendliche in Kleinbussen zu ihren Einsatz­orten gefahren und mit Benzinkanistern versorgt. Ofa Guttenbeil, Koordinatorin der Tonga Women’s Action Group for Change, befürchtet, dass die Zerstörung Nuku’alofas auch der Reformbewegung geschadet hat: »Für viele Men­schen hier hat Demokratie jetzt einen schlechten Ruf. Sie sehen nur, was sie verloren haben.«

König Tupou V. kündigte am Donnerstag der vergangenen Woche eine »demokratischere Regierungsform« an, die jedoch Tonga angemessen sein müsse. Den »kriminellen Anstiftern« der Ausschreitungen drohte er hingegen härteste Konsequenzen an. Das kann im Extremfall die Todesstrafe sein.