Ups!

Erzählungen von Matthew Kneale von tanja sieg

Matthew Kneales zwölf kurze Erzählungen, komprimiert in einer kleinen Sammlung, sind mittelmäßig, genauso mittelmäßig wie ihre Protagonisten. Sie schockieren nicht, sie überraschen nicht, aber sie langweilen auch nicht. Gerade in der Mittelmäßigkeit liegt der Reiz dieser Geschichten. Kneale beschreibt groteske und aberwitzige Situationen, in die seine zumeist britischen Figuren aus der gutbürgerlichen Mittelschicht fast ohne eigenes Verschulden geraten.

Es sind kleine Missgeschicke – oder, um nahe am deutschen Titel zu bleiben, kleine Vergehen –, die jedem widerfahren könnten, auf einer Reise in exotische Länder oder einfach daheim. So wie die Spencers, die auf eigene Faust und abseits der ausgetretenen Touristenpfade das unbekannte China bereisen und den, ups!, Tod eines unbescholtenen Bürgers absolut nicht vorhersehen konnten.

Oder das junge Backpackerpärchen, das sich nichts weiter dabei denkt, als es eine um Hilfe für ihr krankes Kind bittende äthiopische Mutter mit, ups!, Aspirintabletten versorgt. Und das gutsituierte Ehepaar aus einem Londoner Nobelvorort, das völlig mit der Situa­tion überfordert ist, als in der mit, ups!, Kokain vollgestopften Tasche, die es im Park gefunden hat, ein Handy klingelt, auf dem ungeduldige Kunden ihren Unmut über die ausbleibende Bestellung kundtun.

Die Geschichten wirken nicht neu, der Plot ist unaufregend, und die dem Genre geschuldeten pointierten Schlusswendungen überraschen einen nicht. Aber auch hier bleibt sich der Autor in der Wahl seiner Mittelmäßigkeit treu. Mit einer fast schon unglaublichen Naivität, die sich programmatisch in den kurzen Überschriften der einzelnen Geschichten, wie »Stein«, »Pulver«, »Blätter«, »Metall«, niederschlägt und an das Standardrepertoire »Schere, Feuer, Messer, Licht, … « großelterlicher Fürsorge erinnert, befördert der Autor den Leser in die hintersten Winkel Chinas, Afrikas und Südamerikas.

Doch Kneale zeigt nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger auf die Fehltritte seiner Figuren, die nichts Böses im Schilde führen und oft selbst von den Folgen ihrer Aktionen überrascht werden. »Er konnte es selbst nicht fassen. Wie um alles in der Welt war er bloß darauf verfallen, dass diese Sache eine gute Idee war?« Vielmehr führt er deren unumstößliche Doppelmoral in einem Mikrokosmos menschlichen Zusammenlebens vor Augen. »Das Leben ging weiter, sogar besser als zuvor.«

Die besseren Geschichten sind ironisch und entstammen dem wohl bekannten Fundus an schwarzem britischen Humor. Die schlechten Geschichten, bspw. über einen paranoiden Maler, über eine frus­trierte Milliardärsgattin oder über einen schreibblockierten Schriftsteller, irritieren durch ihre inhaltliche Belanglosigkeit, die die provozierte Mittelmäßigkeit noch unterschreitet. Der Rest ist nett zu lesen, angenehme Unterhaltung, die aber keine bleibenden Eindrücke hinterlässt. Damit ist er den Spencers sehr ähnlich, die man im Urlaub vielleicht ganz sympathisch fände, zuhause aber wieder schnell vergäße.

Matthew Kneale: Kleine Vergehen in üppigen Zeiten. Erzählungen. Aus dem Englischen von Regina Rawlinson. Sammlung Luchterhand, München 2006. 286 S., 9 Euro