Nouvelle Droite

Der Front National arbeitet an einem neuen, weniger extremen Image. Viele Franzosen nehmen es ihm bereits ab. von bernhard schmid, paris

Ein neuer Streit ist ausgebrochen in der Führung des Front National (FN). Nicht zum ersten Mal finden einige das, was die Partei nach außen hin darstellt, »zu modernistisch«, »zu sehr dem Zeitgeist verpflichtet«. Ihnen missfällt, was Marine Le Pen, die Tochter des Vorsitzenden und Anwärterin auf seine Nachfolge, und ihre Mitstreiter da schon wieder ausgeheckt haben.

Mitte Dezember stellte die Partei eine Serie von sieben Wahlplakaten vor, mit denen sie ihre Kampagne zu den Präsidentschaftswahlen im kommen­den April bestreiten möchte. Auf sechs Plakaten ist jeweils eine Person zu sehen, die mit ausgestrecktem Daumen nach unten zeigt und sich beschwert: »Die Linke und die Rechte – sie haben alles kaputtgemacht!« Abgebildet ist etwa eine jung-dynamische Führungskraft, die vor der Tür eines Arbeitsamts steht und sich darüber beschwert, »sie« hätten »die Leistung, die Unternehmen und die wirtschaftliche Freiheit« zerstört. Eine Oma mit einem Hündchen auf dem Arm beklagt sich darüber, dass die Renten, die Gesundheitsvorsorge und die Solidarität unter den Franzosen kaputtgemacht worden seien.

Aber es gibt auch noch die junge Frau mit den langen, krausen Haaren und dem dunklen Teint. Auch ihr Daumen zeigt nach unten, um zu beklagen, dass die üblichen Verdächtigen auch »die Staatsbürgerschaft, die Assimilation, die Aufstiegs­chan­cen« zerstört oder verdorben hätten. Einige in der Partei finden es skandalös, dass die dunkelhäutige Frau auch stolz auf »ihr« Frankreich sein soll; das gehe nicht an, monierten einige Mitglieder der Füh­rung.

Deshalb sorgten sie bei einer Sitzung Anfang der vorigen Woche für Streit. Der Front National zeige ein Bild Frankreichs, das man nicht haben wolle. Die Modernisierer in der Partei, die sich rund um Marine Le Pen gruppieren, möchten dagegen genau diese Botschaft verbreiten: Der FN sei eine offene Partei, und wer zwar ausländischer Herkunft sei, sich aber in Frankreich »assimilieren« wolle, könne dies tun.

Dass im Parteiprogramm auch die »Préférence nationale« gefordert wird, also die systematische Bevorzugung gebürtiger Franzosen bei der Vergabe von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen und die Einrichtung getrennter Sozial- und Rentenkassen für Franzosen und Immigran­ten, soll dieser neuen Politik nicht im Wege stehen. Denn wer liest schon Programme?

Derzeit scheint der Strategiewechsel vom Publikum honoriert zu werden. Einer Umfrage von Le Monde zufolge bringe man die Partei inzwischen weniger mit dem Rechtsextremismus in Zusammenhang als früher. Nur noch 34 Prozent der Befragten bezeich­nen die Ansichten von Jean-Marie Le Pen als grundsätzlich »inakzeptabel«, vor einem Jahrzehnt waren es noch 48 Prozent. Dagegen betrachten 47 Prozent sie inzwischen nur noch als »überzogen«, ein Anteil, der deutlich gewachsen ist. 15 Prozent betrachten sie als »richtig«. Dabei ist die höchste Zustimmung für die Meinungen Le Pens auf den Gebieten »Innere Sicherheit«, »Polizei und Justiz« und beim Umgang mit den Banlieues zu verzeichnen.

Deutlich geringere Zustimmung erhalten die Ansichten des FN zum Umgang mit Ein­wanderern. Aber anscheinend wird die Partei nicht mehr so stark wie früher mit diesem Thema identifiziert. Vielmehr wird sie immer mehr als Korrektiv zur regierenden Rechten wahrgenommen, die ihrerseits in den letzten fünf Jahren ein Schwergewicht ihrer Politik auf die so genannte Innere Sicherheit gelegt hat.

Es sah nicht immer danach aus, als sei der Partei mit dem Modernisierungskurs von Marine Le Pen Erfolg gegönnt. Jean-Marie Le Pen selbst hatte zu Anfang des Jahres 2005 noch gesagt: »Ein lieber und netter FN, das interessiert niemanden!« Bis­her konnte seine Tochter sich mit ihrer Stra­tegie nicht eindeutig durchsetzen. Für die Nachfolge des alternden Jean-Marie Le Pen, der in einem halben Jahr 79 wird, scheint im Moment die Nummer Zwei in der Hierarchie der Partei besser im Rennen zu liegen: Bruno Gollnisch. Er kann sich auf die katholischen Fundamentalisten und die Hardliner in der Partei stützen. Die Debatte über die Strategie der Partei dürfte so schnell nicht abgeschlossen sein. Aber bereits heute trägt die »Ent­diabolisierung«, an der Marine Le Pen und ihre Anhänger fleißig arbeiten, ihre Früch­te.

Dazu trägt auch noch ein anderer Faktor bei. Nämlich die Tatsache, dass es dem FN in jüngerer Zeit noch stärker als in der Vergangenheit gelungen ist, auch die im weiteren Sinne rechten Ränder unterschiedlichster Bevölkerungsgruppen anzuziehen. Damit verfügt die Partei über ihre Kronzeugen auch innerhalb von Minderheiten, um Vorwürfe des Rassismus oder des Antisemitismus abwehren zu können.

Am so genannten Präsidentschaftskonvent des FN in der Pariser Vorstadt Le Bourget etwa nahm auch der schwarze Franzose Dieudonné M’bala teil, der vor zehn Jahren noch zu den erklärten Feinden des FN gehörte. In seinem Fall hängt die Annäherung an den FN eng mit dem sich radika­lisierenden Antisemitismus des Theatermachers zusammen. Am selben Tag wie Dieudonné kam aber auch der Vorsitzende der rechtsextremen »Jüdischen Verteidigungsliga« (LDJ), Anthony Attal, zum Wahlkampffest des Front National. Zu ihrem Glück begegneten sich Attal und Dieudonné aber nicht.

In allen Bevölkerungsgruppen gibt es Leute, die immer lauter die Auffassung äußern, dass ihr »Stamm« zuerst drankommen müsse, dass sie mehr als alle anderen Opfer von Diskriminierung sei oder mehr Angst vor der Zukunft habe. Manche Juden stimmten für den FN, meint etwa die Buchautorin Fiammetta Venner, weil sie der Auffassung seien, dass es zu viele arabische Einwanderer in Frankreich gebe – und manche Ara­ber, weil sie wiederum meinten, die Juden hätten zu viel Macht. Der FN kann sich derweil über die gelungene »Entdämonisierung« freuen und behaupten, er sei der Sachwalter der gesamten bedrohten Nation.