Nachrichten

Baader privat

RAF. Eigentlich ist es verwunderlich, dass niemand früher auf die Idee gekommen ist. »Der Baader-Meinhof-Komplex« von Stefan Aust ist ja nun wirklich schon ein alter Schinken. Zum 20jährigen Jubiläum des so genannten »Deutschen Herbsts«, das vor zehn Jahren begangen wurde, wurde die Geschichte der Stadtguerilla noch einmal durchgekaut. Spielfilme zu dem Thema wurden gedreht. Vor zwei Jahren wurde die RAF in einer Ausstellung für museumsreif erklärt. Und im vergangenen Jahr hat Bettina Röhl die Geschichte ihrer Familie und vor allem ihrer Mutter Ulrike Meinhof veröffentlicht. Doch erst jetzt erscheint die erste Biografie über Andreas Baader. Der Verlag verspricht unveröffentlichte Fotos aus den Kinder- und Jugendtagen, aus dem Untergrund und dem Gefängnis. Noch dazu äußern sich Ello Michel, Baaders Lebensgefährtin, bevor er mit Gudrun Ensslin liiert war, und seine Tochter Suse zum ersten Mal öffentlich. Und Liebesbriefe von Andreas und Ello werden ebenfalls erstmals dem Publikum zugänglich gemacht.

Das klingt natürlich nach viel Klatsch und wenig neuen Erkenntnissen über die Stadtguerilla, ihre Ideologie oder gar ihre antisemitischen Züge. »Andreas Baader – Das Leben eines Staatsfeindes« dürfte vor allem eines sein: ein weiterer hämischer Abgesang auf die RAF. (mst)

Kultur verbindet

Iranisches Theaterfestival. Das Theater an der Ruhr in Mülheim ist ein engagiertes Haus, das auch international und politisch sehr rührig ist. Es war 1999 das erste westliche Theater, das nach dem Beginn der Diktatur der Mullahs im Iran auftrat. In dieser Woche gibt das Ensemble ein Gastspiel auf dem Fadjr-Bühnenfestival in Te­he­ran. Nach der Entscheidung des UN-Sicherheitsrats, Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, erhalte die Wiederherstellung des Kontaktes zwischen der iranischen Theaterszene und dem Mülheimer Theater eine besondere kulturpolitische Bedeutung, begründete der Direktor des Hauses, Roberto Ciulli, den Schritt.

Außerdem soll eine neue Absichtserklärung von dem Dramatic Arts Center, einer Unterabteilung des iranischen Kultusministeriums, und dem Theater an der Ruhr unterzeichnet werden. In den kommenden drei Jahren will man sich nämlich noch öfter austauschen und noch besser zusammenarbeiten. Ob den Gästen aus Deutschland auch die große Ehre zuteil wird, durch die iranischen Atomanlagen geführt zu werden, ist nicht bekannt. (mst)

Sie wollen nur das Beste

Scientology. Im Berliner Stadtteil Charlottenburg herrscht für gewöhnlich große Betulichkeit. Mit anderen Worten: Es ist ziemlich langweilig da. Zum Glück eröffnet Scientology am Wochenende eine neue Niederlassung in Charlottenburg. Seit bekannt geworden ist, dass die Sekte in das sechsstöckige Gebäude einziehen möchte, befinden sich die Anwohner in Aufruhr und Angst. Dabei hat Scientology wie alle Sekten doch nur das Beste für die Menschen im Sinn. Man wolle »vor allem im sozialen Bereich helfen, etwa im Kampf gegen Drogenmissbrauch und bei der Gewalt unter Jugendlichen«, sagte ein Sprecher der Organisation der Presse. Sektenexperten befürchten, dass Scientology das Haus in Berlin zu einer europäischen Zentrale ausbauen könnte.

Liebe Charlottenburger, seht das doch einfach so: Vielleicht bringt Scientology auch den einen oder anderen Prominenten in euren öden Stadtteil. Unter Umständen kommt der bekennende Scientology-Anhänger Tom Cruise vorbei und erklärt euch, warum es so großartig ist, sich für ganz viel Geld in den Kursen der Sekte vollkommen verblöden zu lassen. (mst)

Studieren im Internet

Studentenportal. Bekanntlich kann es durchaus länger dauern, bis die technischen und kulturellen Neuerungen aus den Metropolen der Welt an die Peripherie gelangen. Aber nun gibt es auch in Deutschland das erste große Wirtschaftswunder des so genannten Web 2.0. Der Holtzbrinck-Verlag hat für knapp 100 Millionen Euro das Internetportal StudiVZ gekauft. StudiVZ gehört zu den so genannten sozialen Netzwerken. Studenten und Studentinnen können sich dort anmelden und relativ leicht Kommilitonen mit ähnlichen Interessen an der eigenen Universität finden. Wie bei anderen sozialen Netzwerken tauchten mit der Zeit auch bei StudiVZ bedenkliche Begleiterscheinungen auf: In den Diskussionsgruppen mischten Neonazis mit. Frauen wurden von einem Männerbund, der in dem Portal aktiv war, systematisch mit obszönen Zuschriften bombardiert. Ob solche Vorfälle unter den neuen Eigentümern ausbleiben werden, ist schwer zu sagen.

Zumindest hält sich Ehssan Dariani, ein Gründer von StudiVZ und weiterhin ein Beschäftigter des Unternehmens, zurzeit auffällig zurück. Er hatte für Aufsehen gesorgt, weil er in der U-Bahn und in Toi­letten Frauen gefilmt und die Aufnahmen im Internet verbreitet hatte. (mst)

The Big Bang

Busta Rhymes. Die kulturindustrielle Maschinerie steht niemals still. Und doch scheint sie immer nur das Gleiche hervorzubringen. Zumindest sagen das ihre Kritiker. Was das Geschäft mit der Popmusik angeht, stimmt die Behauptung wohl. Jemand, der an der Spitze der Charts steht, kann einige Monate später schon wieder vergessen sein. Deshalb müssen die Popstars auch einen kategorischen Imperativ befolgen: Sorge für Schlagzeilen! Busta Rhymes gibt sich wirklich große Mühe in dieser Hinsicht. Im vergangenen Jahr hat er die gute Platte »The Big Bang« veröffentlicht. Aber das ist im Pop eben auch schon wieder lange her. Seither hält er sich in den Zeitungen, indem er entweder mit einer Machete im Auto spazieren fährt oder einen Fan oder sogar seinen eigenen Chauffeur verprügelt. Seinen Fahrer soll er mehrfach getreten und ins Gesicht geschlagen haben, nachdem es zwischen den beiden zu einem Streit um ausstehende Gehaltszahlungen gekommen war. In der vergangenen Woche wurde Busta Rhymes deshalb festgenommen. Aber so funktioniert die Maschinerie eben: Auch der kleinste Skandal ist eine gute Neuigkeit. (mst)