Positiv denken

Die israelische Regierung und Palästinenserpräsident Abbas sind mit innenpolitischen Problemen beschäftigt. Doch US-Außenministerin Rice hält neue Verhandlungen für möglich. von michael borgstede, tel aviv

Bereits ein flüchtiger Blick auf die verfahrene Situation im Nahen Osten kann Diplomaten die gute Laune verderben. In den palästinensischen Gebieten herrscht fast ein Bürgerkrieg, der moderate Präsident Mahmoud Abbas verhandelt seit fast einem Jahr über eine Koali­tion seiner Fatah mit der Hamas und scheint doch keine nennenswerten Fortschritte zu erzielen.

Auch auf der israelischen Seite ist es um die politische Stabilität nicht besonders gut bestellt. Nachdem Generalstabschef Dan Halutz wegen seiner Rolle im unglücklich verlaufenen Libanon-Krieg seit einem halben Jahr in der Kritik gestanden war, gab er nun auf. Seine »Auffassung von Verantwortung« dränge ihn, sein Amt aufzugeben, schrieb er in einem drei Seiten langen Rücktrittsgesuch.

Nun wird darüber spekuliert, ob Halutz mit seiner Entscheidung einen Dominoeffekt auslösen könne. Schließlich hatte er den Libanon-Krieg nicht alleine geführt. Immerhin 85 Prozent der Israelis sind der Meinung, dass Verteidigungsminister Amir Peretz sich die »Auffassung von Verantwortung« des ehemaligen Armeechefs zu eigen machen und sein Ministerium räumen sollte.

Um Ministerpräsident Ehud Olmert, der sich seit Monaten weitgehend erfolglos um ein neues politisches Programm bemüht, steht es in den Umfragen nicht viel besser. Zu allem Überfluss wurde nun auch noch eine strafrechtliche Untersuchung wegen Unregelmäßigkeiten bei der von ihm initiierten Privatisierung einer Bank gegen ihn eingeleitet. Die Konfliktparteien scheinen im Moment zu sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein, als dass sie sich einem Friedensprozess widmen könnten.

Es wirkte deshalb geradezu erfrischend, wie positiv US-Außenministerin Condoleezza Rice die Situation im Nahen Osten sieht. Nachdem sie gegen Ende ihrer Nahost-Reise einen Vorschlag von Abbas, inoffizielle Gespräche über den endgültigen Status eines Palästinenserstaats zu führen, geradezu begeistert unterstützt hatte, tischte sie den Journalisten ein hoffnungsvolles Szenario auf. Die Situation sei viel besser als zu Zeiten der Verhandlungen von Camp David im Sommer 2000, denn Abbas sei viel pragmatischer als der undurchsichtige Yassir Arafat.

Selbst der Einbindung der Hamas in das politische System kann Rice etwas Positives abgewinnen. Ihre »Unfähigkeit zu regieren« habe die Terrororganisation dazu gebracht, sich einigen »sehr schwie­rigen Entscheidungen« zu stellen, während sie zuvor einfach jedes mögliche Abkommen mit ihren Anschlägen verhindern konnte. Und schließ­lich glaube doch wohl niemand daran, dass Ariel Sharon und seine Likud-Partei vor sechs Jahren ein Abkommen zur Gründung eines Palästinenserstaats unterstützt hätten. Heute dagegen stünde das politische System Israels vereint hinter der Idee einer Zweistaatenlösung.

Man mag den Enthusiasmus der Außenministerin für übertrieben halten, ganz Unrecht hat sie nicht. Sicher bleibt fraglich, ob mit Olmert und Abbas ausgerechnet zwei Politiker Frieden schließen werden, die sich mehr schlecht als recht an der Macht halten. Dennoch ist die Ausgangslage kaum schlechter, als sie es vor Beginn der al-Aqsa-Intifada war. So verwundert es auch nicht, dass Rice einen Vorschlag ihrer israelischen Kollegin Zipi Livni rundheraus ablehnte. Sie halte es für keine sinnvolle Idee, zuerst einen palästinensischen Staat in vorläufigen Grenzen zu gründen, sagte Rice. Die Verhandlungen über das vorläufige Staatsgebiet seien komplizierter als jene über die endgültigen Grenzen. Offenbar ist Rice davon überzeugt, dass alle Parameter für eine Lösung des Nahost-Konflikts längst bekannt sind und nur noch in Verhandlungen von mutigen Politikern kodifiziert und anerkannt werden müssten.

Dass es um den Frieden mit Israels nördlichem Nachbarland Syrien nicht viel anders steht, machte ein Bericht der Zeitung Ha’aretz in der vergangenen Woche deutlich, auch wenn Ministerpräsident Olmert sich über die Bemühungen eines ehemaligen israelischen Diplomaten wenig schmeichelhaft äußerte: Alon Liel habe wohl »mit sich selbst Verhandlungen geführt«. Olmert will dem in Privatverhandlungen entstandenen Entwurf für ein mögliches Friedensabkommen mit Syrien keine Bedeutung beimessen und betont, dass die Regierung davon nichts gewusst habe.

Zwei Jahre lang hatte Liel sich immer wieder mit dem in Washington lebenden Ibrahim Suleiman getroffen, zuletzt während des Liba­non­Kriegs im Sommer 2006. Die Ergebnisse haben beide festgehalten: Israel solle die Golanhöhen räumen, bekomme aber das alleinige Recht über das Wasser im See Genezareth und im Jordan. Das Grenzgebiet wer­de demilitarisiert, Syrien stelle seine Unterstützung der Hizbollah und der palästinensischen Terrororganisationen ein. Zudem solle auf einem großen Teil des Golan ein Park eingerichtet werden, den Israelis auch weiterhin ohne Visa betreten können.

Über ähnliches wurde bei zahllosen gescheiterten Verhandlungsrunden immer wieder diskutiert. Die Meinungen sind seit Jahrzehnten klar definiert: Syrien fordert eine Rückgabe der gesamten Golanhöhen, die Israel 1967 erobert hat. Israel will zumindest jene paar Quadratkilometer am See Genezareth nicht zurückgeben, die Syrien im Krieg von 1948 erobert hat. Den Syrern leuchtet diese Logik nicht ein, da Israel seinerseits die 1948 eroberten Gebiete längst annektiert hat.

Immer wieder scheiterten die Verhandlungen an Diskussionen über israelische Warnposten auf syrischem Territorium, der Forderung nach einer demilitarisierten Zone bis in die Nähe von Damaskus oder einfach dem verletzten arabischen Stolz des syrischen Präsidenten Hafiz al-Assad. Eine neuartige Lösung wie die von Suleiman und Liel bietet sich also an. Trotzdem lehnte die israelische Regierung im vergangenen Sommer den syrischen Vorschlag ab, die Verhandlungen auf einer offiziellen Ebene zu führen. Man wolle Präsident George W. Bush nicht verärgern, indem man Kontakte zu einem »Schurkenstaat« unterhalte, hieß es zur Begründung.

Doch im politischen Establishment der USA gewinnen jene an Einfluss, die sich von Verhandlungen mit »Schurkenstaaten« mehr versprechen als von der bislang praktizierten Isolationspolitik. Syrien sei bereit, sich »ohne Vorbedingungen« an den Verhandlungen zu beteiligen, erklärte vor kurzem Riad Daoudi, ein hoher syrischer Regierungsberater. Man könne dann über alles reden, auch über die »syrischen Beziehungen« zum Iran und der Hamas.

Bereits Ariel Sharon versuchte vergeblich, Bush davon zu überzeugen, dass die Demokratisierung der arabischen Länder erhebliche Risiken berge. Weder Ägypten noch Jordanien sind Demokratien, doch vielleicht ließ sich gerade deshalb mit beiden Ländern ein Friedensabkommen schließen. Ein vertrauter Diktator ist der israelischen Regierung immer noch lieber als eine demokratisch legitimierte, aber womöglich fundamentalistische und unberechenbare Regierung. Der Wahlsieg der Hamas hat diese Sichtweise nur noch bestärkt.