Römer im Treibhaus

Klima und Kapitalismus von jörn schulz

Alles hätte früher beginnen können. Bereits in der Antike war das Prinzip der Dampf­maschine bekannt. Doch die Römer bastelten nur Spielereien wie den Herons­ball zusammen, eine Kugel, die mit Dampf­kraft in Rotation versetzt wurde. Sich der Dampfkraft zu bedienen, um mensch­liche Arbeit durch Maschinenkraft zu ersetzen, hätte die Grundlagen der Sklaven­haltergesellschaft untergraben.

Die Römer schafften es auch ohne Industrialisierung, ein ökologische Desaster zu verursachen. Die Abholzung der Wälder und die extensive Plantagenwirtschaft verursachten Erosion und eine Ver­armung der Böden. Wir sind nicht die ersten, die sich durch das bornierte Festhalten an einer überholten Produktionsweise die Lebensgrundlage entziehen.

Die erste brauchbare Dampfmaschine baute Thomas Newcomen im Jahr 1712, in einer Zeit, in der die aufstrebende europäische Bourgeoisie begann, sich für Maschinen zu interessieren. Der Kapitalismus gilt als »innovativ«. Doch noch immer beruhen Energieversorgung und Trans­port auf mittlerweile archaischen Technologien, der Dampfkraft und dem Verbrennungsmotor, mit dem erstmals im Jahr 1807 ein Wagen bewegt wurde. Auch ein Atomkraftwerk ist ja eine Dampf­maschine, nur dass Uran oder Plutonium benutzt werden, um Wasser zu erhitzen.

Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob die Klimakatastrophe mit kapitalistischen Mitteln verhindert werden kann. Es ist bereits zu spät. Es geht nur noch darum, wie schlimm die Katastrophe ausfällt. Der Ausstoß an Treibhausgasen steigt weiter, auch wenn das Kyoto-Protokoll etwas anderes vorsieht. Die Zwänge des Marktes verhindern die nötigen Innovationen, und das Festhalten am National­staat, dem Ordnungsprinzip des kapitalistischen Weltmarktes, verhindert, dass wenigstens das technisch Mögliche getan wird.

Unter »Innovation« wird im Kapitalismus zumeist die Weiterentwicklung eines Produkts verstanden, dessen Marktfähigkeit bereits erwiesen ist. Von diesem Rentabilitätszwang befreit, ließe sich manches ersinnen, das uns heute so unmöglich erscheint wie einem Menschen des Mittelalters das Flugzeug. Immerhin stehen einige Technologien bereits zur Verfügung. Wer jedoch kapitalistisch kalkuliert, muss zu dem Schluss kommen, dass die Nutzung von Solar- und Windenergie, Geothermik und Gezeitenkraftwerken nicht ausreichen wird, um den Temperaturanstieg aufzuhalten.

Wer kapitalistisch kalkuliert, muss dem »nationalen Interesse« den Vorrang geben. Die Regierungen der Industriestaaten wollen den Ausstoß an Treibhausgasen nur reduzieren, wenn die anderen es auch tun. Die Regierungen der Entwicklungs- und Schwellenländer erklären, an sich zu Recht, dass sie das Problem nicht verursacht haben und daher auch für dessen Lösung nicht zuständig sind. Allerdings ist es die Bevölkerung dieser Länder, die von der Klimakatastrophe am härtesten getroffen werden wird.

Anders als die Römer wissen wir, was auf uns zukommt und was wir dagegen tun könnten. Die ökologischen Schäden werden wohl auch einer befreiten Gesellschaft Zwänge auferlegen. Wenn der Übergang zu einer sozialistischen Produktionsweise zu lange auf sich warten lässt, könnte das zu einer Katastrophe führen, die die menschliche Zivilisation erneut um 1 000 Jahre zurückwirft.